Landeshauptmann Anton Mattle hält an dem Projekt fest.
Nach dem Aus für den Vorstand der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG, Helmut Schreiner, wegen einer wohl abgeschriebenen Doktorarbeit und des unrechtmäßigen Führens eines Doktortitels kommt die Zillertalbahn weiter nicht zur Ruhe. Nun werden erneut Zweifel an der Sinnhaftigkeit der beabsichtigten Umrüstung der Schmalspurbahn auf Wasserstoff laut – und das unter anderem von einem Proponenten der Schweizer Herstellerfirma. LH Anton Mattle (ÖVP) hält aber an dem Projekt fest.
„Wasserstoff ist nur sinnvoll, wenn es keine Alternative in Form von Elektrifizierung oder Batterie gibt“, erklärte der Verkaufs- und Marketingchef des Schweizer Herstellers Stadler, Ansgar Brockmeyer, laut einem Bericht des St. Galler Tagblatts. Stadler ist jenes Unternehmen, bei dem das Land für das Zillertal die Wasserstoffgarnituren bestellen will. Wenn man mit der Reichweite eines klassischen Batteriezuges hinkomme – und das sei in Mitteleuropa meistens so – dann könne man mit einem Batteriezug fahren. „Das ist wirtschaftlich auch günstiger“, so Brockmeyer.
In dieselbe Kerbe stieß Manfred Schrödl, Leiter des Instituts für Energiesysteme und Elektrische Antriebe an der TU Wien, im Gespräch mit dem Kurier. Für ihn ist es nicht nachvollziehbar, dass die Variante eines Betriebes mit Batterie anstelle des Wasserstoffzuges nie ernsthaft diskutiert worden sei. Dabei würde sogar Stadler beide Konzepte anbieten. „Man hat sich nur zwei von drei Möglichkeiten angeschaut“, meinte der Wissenschafter. Für ihn sei aber klar: „So lange ein Akkuzug darstellbar ist, gewinnt er immer gegen Wasserstoff.“
Und das sei im Zillertal mit einer Strecke von 32 Kilometern je Richtung der Fall, so Schrödl. Er sah im Vergleich zum Batteriezug beim Wasserstoff massive energetische Nachteile: Dieser müsse bekanntlich zunächst mit Strom erzeugt werden. So würden nur 27 Prozent der Energie auf der Schiene ankommen, beim Batteriefahrzeug seien es immerhin 65 Prozent.
Schrödl hat laut eigenen Angaben den Strombedarf beider Varianten auf der Zillertalbahn kalkuliert. Demnach würde ein Akkuzug fünf Mio. Kilowattstunden Strom pro Jahr im Betrieb benötigen – eine Mio. mehr als bei einem Oberleitungsfahrzeug. Für den Betrieb eines Wasserstoffzugs hingegen wären zehn Mio. Kilowattstunden nötig. „Damit würde die Hälfte des Stroms verschleudert“, erklärte der Experte.
Das „Verschleudern“ von Energie habe aber noch eine Komponente. Um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu schaffen, gebe es einen riesigen Aufholbedarf an erneuerbaren Energien. Gleichzeitig müsse Strom bestmöglich gespart werden, um die Ziele zu erreichen. „Dazu ist die öffentliche Hand auch im Energieeffizienzgesetz angehalten“, so Schrödl: „Das wird hier konterkariert.“
Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung scheint aber jedenfalls an dem Projekt festhalten zu wollen – nachdem man in der vergangenen Woche einen Grundsatzbeschluss auf Dekarbonisierung und Umrüstung der schmalspurigen Bahn auf Wasserstoffantrieb gefasst hatte. „Die Landesregierung hat eine Grundsatzentscheidung getroffen, es gibt eine Bandbreite an Wissen wie ein Gutachten von der KCW, einer Strategie- und Managementberatungsfirma im Bereich des straßen- und schienengebundenen öffentlichen Verkehrs in Deutschland“, betonte Landeshauptmann Mattle gegenüber der Online-Ausgabe der Tiroler Tageszeitung.
Die kritischen Argumente seien nicht neu und natürlich in die Überlegungen der Regierung miteingeflossen. „Ein Wasserstoffantrieb ist nicht so effizient wie eine Oberleitung für den Elektrobetrieb, allerdings führt auch eine Oberleitungsbahn zu massiven Investitionen. Alle wollen eine Dekarbonisierung ohne Dieselantrieb“, erklärte der Landeschef. Die verschiedenen Varianten – Elektrifizierung, Batterie- bzw.- Akkubetrieb sowie Wasserstoff – habe man sich angeschaut und sich letztlich für Wasserstoff entschieden.
Zuletzt war von geschätzten Mehrkosten bis zu 180 Mio. Euro, gerechnet auf 30 Jahre, im Vergleich zu einer Bahn mit Oberleitung, die Rede gewesen. Mattle ließ wissen, dass man die Mehrkosten bewusst in Kauf nehme und sprach von einer „bewussten Entscheidung für Innovation und Fortschritt“. Tirol müsse beim Thema Wasserstoff Vorreiter werden. Die Mehrkosten würden 2,7 Mio. Euro pro Jahr betragen.
Damit die “Wasserstoffbahn” endgültig auf Schiene kommt, soll nun ein „gesamthaftes Konzept“ ausgearbeitet und Verhandlungen mit dem Bund hinsichtlich der Mitfinanzierung aufgenommen werden. Auf der 32 Kilometer langen Strecke der Zillertalbahn sollen jährlich 900.000 Liter Diesel eingespart werden. Als Startjahr visierte man im Tal zuletzt das Jahr 2027 an.
apa