Windparks vertreiben Krabbenfischer aus Nordsee
Deutschlands Küstenfischer verlieren Fanggründe, weil Schutzgebiete ihre traditionellen Reviere verdrängen.
Die deutsche Bundesregierung fördert die freiwillige Stilllegung von Krabbenkuttern – offiziell, um die Flotte an sinkende Fangmöglichkeiten anzupassen. Doch unter der Oberfläche zeigt sich ein strukturelles Problem, das Küstenfischer seit Jahren belastet: Die Nordsee wird enger. Zwischen gigantischen Offshore-Windparks, neuen Meeresschutzgebieten und strengeren EU-Vorgaben bleibt kaum Platz für jene, die ihren Beruf oft seit Generationen ausüben.
Drei entscheidende Faktoren
Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums sind die Fangmöglichkeiten für Krabben und Plattfisch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Ursache Nummer eins: die massive Ausweitung von Offshore-Windkraftanlagen. Jede neue Anlage schafft nicht nur tabuisierte Sicherheits- und Sperrflächen, sondern verändert auch Strömungen und Sedimentbewegungen – mit Folgen für die wandernden Krabbenbestände.
Dazu kommen großflächige Meeresschutzgebiete, die bestimmte Fangmethoden einschränken oder ganz untersagen. Die Krabbenfischerei, die traditionell mit Grundschleppnetzen arbeitet, ist davon besonders betroffen. Was früher als gut zugängliches Fangrevier galt, wird heute Schritt für Schritt reguliert, zoniert und abgegrenzt.
Das Stilllegungsprogramm
Mit 20 Millionen Euro will die Bundesregierung rund 30 % der Krabbenfischer aus dem Markt nehmen. Offiziell geht es um „Strukturanpassung“ und ein Gleichgewicht zwischen Flottenkapazität und verfügbaren Beständen. Doch in der Branche wächst der Eindruck, dass der Rückzug nicht nur ökologisch motiviert ist.
Viele Fischer berichten, dass Windparks in der Praxis eine viel stärkere Verdrängungswirkung haben als in politischen Verlautbarungen eingeräumt wird. Wo früher produktive Fanggründe lagen, stehen heute Stahlfundamente und Hochspannungsleitungen. Für Familienbetriebe, die oft nur wenige Tage im Voraus entscheiden können, wann sie rausfahren, bedeutet jeder verlorene Quadratkilometer spürbare Einbußen.
Das Stilllegungsprogramm wird daher auch als soziale Abfederung eines längst laufenden Strukturwandels gesehen, den die Energiepolitik fordert.
Ein Industriesektor wächst
Windkraft ist ein Schlüsselprojekt der europäischen Energiewende. Doch die Nordsee ist ein begrenzter Raum, und die Expansion der Windparks folgt einem industriellen Maßstab, dem kleine Krabbenkutter kaum etwas entgegensetzen können. Während Energieunternehmen langfristige Planungs- und Investitionssicherheit erhalten, kämpfen Fischer um saisonale Existenzgrundlagen.
Dass alteingesessene Betriebe aussteigen, schafft rein rechnerisch Platz. Tatsächlich wird der Sektor kleiner, nicht vielfältiger. Eine gezielte Verdrängung zugunsten kommerzieller Großbetriebe ist zwar nicht belegt, doch die Marktmechanik ist klar: Je weniger Lizenzen aktiv genutzt werden, desto stärker verschieben sich wirtschaftliche Chancen zugunsten größerer Flotten, die einfach mehr rausholen können.
(APA/red)