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Muss man sich Klimaschutz leisten können?

Für die Anschaffung von nachhaltigen Energie- und Mobilitätslösungen gibt es von öffentlicher Hand Förderungen für Private. Aber betreffen diese die Richtigen? Check-List hat es geprüft.

04.07.2024 10:22
LB
© Adobe Stock

Überlegt man sich, wie man klimabewusst im Alltag leben kann, kommt man vielleicht auf die Idee, Bio-Lebensmittel anstelle von konventionellen Produkten zu kaufen. Lässt das die Geldbörse nicht zu – zum Beispiel, weil gerade Inflation ist und die politischen Maßnahmen gegen sie ausbleiben – oder möchte man einfach nur sparsam handeln, liegt die Lösung womöglich im bedarfsorientierten Einkaufen. Als weitere Maßnahme könnte man die (Gas-)Heizung runterdrehen. Diese Maßnahme ist besonders beliebt, wenn gerade ein Land mit großen Gasvorkommen in ein anderes Land einmarschiert und in der Folge der Gaspreis gestiegen ist, weil dieses angreifende Land nicht unterstützt werden soll. Spätestens an dieser Stelle fragt man sich: Warum heize ich überhaupt noch mit Gas? In Österreich gibt es laut Klimaministerium 840.000 Gasheizungen, das ist nach Fernwärme der zweitgrößte Anteil.

Also könnte man doch das Heizsystem umstellen. Wer ein Einfamilienhaus sein Eigentum nennt, kann eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage) darauf anbringen und eine Wärmepumpe installieren oder, falls letzteres nicht möglich ist, eine Stromheizung. Dazu noch ein Speicher, denn ohne einen solchen liegt der Nutzungsgrad des selbst erzeugten Stromes auch bei optimalem Wetter nur bei rund 40 Prozent; mit Speicher kann man bis zu 70 Prozent der Energie aus der eigenen Solaranlage nutzen.

Vielleicht rät die Elektrikerin bei der Besichtigung Ihres Grundstücks dazu, ein Elektroauto anzuschaffen. Denn wenn etwa die Sonne im Zenit steht, also zu Mittag, liefert die PV-Anlage so viel Energie, dass der Speicher – der ja seit den Morgenstunden befüllt wird – diese nicht mehr aufnehmen kann. Diese überschüssige Energie kann also zur lokal emissionsfreien Mobilität genutzt werden.

Wie praktisch ist es da, dass für alle diese Anschaffungen in Österreich Förderungen zur Verfügung stehen! Die Anschaffung einer privaten PV-Anlage ist bis 2025 steuerfrei, ebenso die eines Speichers. Eine Voraussetzung ist, dass die Anlage eine Maximalleistung von 35 Kilowatt Peak (kWp) hat – was bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus kein Problem sein dürfte. Abseits dieser Möglichkeit gibt es noch weitere Förderschienen.

Der Kauf eines rein elektrisch betriebenen Fahrzeugs wird mit bis zu 5.000 Euro gefördert (Autos mit Brennstoffzelle sind mitgemeint). Voraussetzung: Das Gefährt darf in der Grundausstattung nicht mehr als 60.000 Euro kosten. Organisiert man die zugehörige Ladeinfrastruktur ebenfalls, kann man zwischen 600 und 1.800 Euro zusätzlich erhalten. Zu guter Letzt wird auch der Heizungstausch gefördert, aber mehr zu diesem später.

Rund 40 Prozent wohnen zur Miete

Was machen Sie aber, wenn Sie gar kein Einfamilienhaus besitzen, sondern zu den gut 40 Prozent der Menschen in Österreich gehören, die in einer Mietwohnung wohnen? Dann wird der Traum von einer PV-Anlage vermutlich ein solcher bleiben – zumindest nach der derzeitigen (rechtlichen) Situation. Und das E-Auto scheint dann keine sinnvolle Anschaffung mehr (wenn man überhaupt einmal von der Frage absieht, in welchem Gebiet ein Auto sinnvoll ist).

Die PV-Anlage und das E-Auto unleistbar, die Heiztechnik vom Eigentümer bestimmt – angesichts dieser Tatsachen muss man sich fragen: Muss man sich Klimaschutz leisten können?

Befragt man das sozialliberale Momentum Institut, könnte die Antwort lauten: falsche Frage! Denn diesem zufolge sind die reichsten zehn Prozent in Österreich für 28 Prozent der Emissionen verantwortlich, wohingegen die gesamte untere Bevölkerungshälfte gemeinsam 30 Prozent verursacht. Anders gesagt: Die reichsten zehn Prozent stoßen fast genauso viel aus wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.

Global betrachtet ergibt sich ein ähnliches Bild. Der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam zufolge hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 2019 genauso viele Emissionen verursacht wie die ärmsten 66 Prozent. In absoluten Zahlen heißt das: 77 Millionen Menschen haben es ,geschafft‘, gleich viele Emissionen auszustoßen wie fünf Milliarden Menschen. Die Diskrepanz erklärt Barbara Schuster, Ökonomin und Klimaexperten beim Momentum Institut folgendermaßen: Menschen aus der ärmeren Hälfte der Bevölkerung „stoßen vor allem Emissionen zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse aus. Die Reichen allerdings durch exzessiven Überkonsum.“ Sie sagt das über die österreichischen Verhältnisse, doch die Tendenz lässt sich mit Blick auf die Oxfam-Zahlen wohl auf globale Maßstäbe übertragen.

Barbara Schuster, Momentum Institut: „Mieter:innen müssen für die hohen Energiekosten aufkommen, haben aber kein Mitbestimmungsrecht, wie sie ihren Wohnraum beheizen“ // © Pertramer

Es stellt sich also nicht die Frage, ob man sich Klimaschutz leisten können muss. Denn je ärmer man ist, umso weniger Kleidung kauft man; man besorgt Lebensmittel bedarfsorientiert, benutzt öffentliche Verkehrsmittel statt eines PKW; man verzichtet aufs neueste Smartphone; man kann sich weniger Urlaubsreisen leisten. Aus diesem Blickwinkel erscheinen einige in Österreich erhältliche Förderungen ungerecht. „Von Maßnahmen wie dem Kesseltausch oder dem Anbringen von Photovoltaikanlagen oder Ladestationen für Elektroautos profitiert aufgrund der ungleichen Verteilung von Eigentum vor allem die reichere Hälfte der Bevölkerung. Dasselbe gilt für Förderungen bei der Anschaffung von Elektroautos“, sagt Schuster.

Zum (Elektro-)Auto sagt sie außerdem: „Autos können sich vor allem reichere Haushalte leisten.“ Ihr zufolge besitzt nur ein Viertel der Haushalte der ärmsten zehn Prozent ein Auto, bei den reichsten zehn Prozent sind es hingegen 95 Prozent. „Unterstützende Fördergelder erreichen also auch hier vor allem diejenigen, die bereits über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um sich überhaupt ein Auto anzuschaffen“, lautet Schusters Fazit.

Beim Wohneigentum sieht es ähnlich aus. „Rund die Hälfte der fossilen Gas-, Kohle- und Ölheizungen befindet sich in Mietwohnungen“, sagt die Ökonomin. Deutlich wurde dieser Unterschied spätestens nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Infolge der Sanktionen gegen Russland stiegen die Energiepreise, da Gas zu einem guten Teil von dort kam. Dies hatte eine Inflation zur Folge: Mit den Energiepreisen stiegen auch Rohstoff- und Lebensmittelpreise sowie Mieten. Wer zur Miete wohnte, konnte nicht darüber entscheiden, wie geheizt wird – und war vom Preisanstieg mehrfach betroffen. „Mieterinnen und Mieter müssen für die hohen Energiekosten aufkommen, haben aber kein Mitbestimmungsrecht, wie sie ihren Wohnraum beheizen“, benennt Schuster das Problem. Denn die thermische Sanierung und der Heizungstausch obliegen denjenigen, die die Immobilie besitzen. Die Klimaexpertin spricht hier von einer „unfreiwilligen fossilen Abhängigkeit“. Mit erneuerbaren Energieträgern betriebene Heizungen kommen dagegen laut Schuster am häufigsten in Eigentumswohnungen- und Häusern zum Einsatz. Das Momentum Institut hat auch dazu konkrete Zahlen parat: „Nur fünf Prozent der ärmeren Bevölkerungshälfte besitzt die Wohnung oder das Haus, in dem sie leben, verglichen mit mehr als 90 Prozent der reicheren Bevölkerungshälfte.“

Ärmere stärker vom Klimawandel betroffen

Die vom Momentum Institut geortete Ungleichheit zeigt sich auch bei den Folgen des Klimawandels. Einer Studie aus dem Jahr 2021 im Auftrag des deutschen Sozialministeriums kam zu dem Schluss, dass ärmere Menschen den steigenden Temperaturen verstärkt ausgesetzt sind. Sie leben tendenziell in Gegenden mit weniger Grün und wohnen in schlecht isolierten Wohnungen.

Für eine gelungene Energiewende sollte die gesamte Bevölkerung eingebunden werden // © KI-generiert mit DALL:E von Open AI

Aktionen für weniger gut situierte Haushalte

Der Klima- und Energiefonds (KLIEN), der einige der Förderprogramme verantwortet und „die Umsetzung der Ziele der heimischen Klimapolitik und die Entwicklung zu einem zukunftsfähigen Energiesystem“ unterstützt, erhebt keine Einkommens- oder Vermögensdaten zu den Personen, die um Förderungen ansuchen. Auf Anfrage verweist er aber auf Programme, deren Förderung durchaus an die finanzielle Situation gekoppelt ist. Die Aktion „Energiesparen im Haushalt“ steht ausschließlich armutsbetroffenen Haushalten zur Verfügung, die Anspruchsüberprüfung erfolgt durch die Caritas und die Volkshilfe. Teil des Programms sind eine bedarfsorientierte Energiesparberatung für private Haushalte sowie der Austausch ineffizienter Elektrogroßgeräte gegen energieeffiziente Elektrogroßgeräte. Gefördert wird hierbei nicht die Anschaffung von Heizungen oder PV-Anlagen, sondern jene von (Tief-)Kühlschränken, Geschirrspülern, Waschmaschinen, E-Herden und Backöfen.
Ferner verweist der KLIEN auf das Förderprogramm „Raus aus Öl und Gas“ mit dessen Unterkategorie „Sauberes Heizen für alle“. Bei Erstgenanntem werden Privatpersonen beim Tausch eines fossilen Heizsystems gegen einen hocheffizienten oder klimafreundlichen Nah- bzw. Fernwärmeanschluss und – wo dies nicht möglich ist – auf eine Wärmepumpe oder eine Biomasseheizung mit bis zu 75 Prozent der förderfähigen Kosten unterstützt. Antragsberechtigt sind (Mit-)Eigentümer, Bauberechtigte und Mieter eines Ein- oder Zweifamilienhauses oder Reihenhauses.

Für Haushalte im unteren Einkommensdrittel gibt es sogar eine Unterstützung von bis zu 100 Prozent der förderbaren Investitionskosten. Anspruchsberechtigt für „Sauberes Heizen für alle“ sind Eigentümer eines Ein-, Zweifamilien- oder Reihenhauses, sofern sie seit Ende 2022 in diesem hauptgemeldet sind. Als Nachweis gelten Bestätigungen über den Bezug der Sozialhilfe oder die Befreiung vom ORF-Beitrag sowie über den Bezug von Wohnbeihilfe. Liegt eine solche Bestätigung nicht vor, muss das Einkommen nachgewiesen werden: Das Haushaltseinkommen darf bei einer Einzelperson jährlich maximal 22.848 Euro netto betragen, bei einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren maximal 47.980,80 Euro netto. Die höchste Förderung könnte man hier bei Installation einer Wasser-Wasser- oder Sole-Wasser-Wärmpumpe bekommen, nämlich bis zu 37.252 Euro. (Die Wahl des Heizsystems sollte sich allerdings nicht nach der höchsten Fördermöglichkeit, sondern nach der Sinnhaftigkeit des Heizsystems richten – dafür stellt nach der Anmeldung zu der Förderschiene das zuständige Bundesland eine Energieberatung zur Verfügung.)

Verpflichtende statt geförderte Umstellung?

Das Momentum Institut würde den Hebel woanders ansetzen. Barbara Schuster fordert etwa einen gesetzlich verpflichtenden Heizungstausch. Sollte der Eigentümer dem nicht nachkommen, „wäre eine Mietminderung denkbar, um die Mieter zu entlasten.“

Generell müssten die Reichsten stärker zur Kasse gebeten werden, meint Schuster. Denn sie verursachen, wie oben erwähnt, anteilsmäßig viele Emissionen, wobei, wie Schuster meint, viele dieser Emissionen vermeidbar seien (Stichwort „exzessiver Überkonsum“). Der Ökonomin zufolge sollte man „bei exzessivem und klimaschädlichem Verhalten ansetzen: Maßnahmen im Bereich der Mobilität wären ein Verbot von Privatjet- und Kurzstreckenflügen, Vielfliegerabgaben und gewichts- sowie größenabhängige Parkgebühren.“ SUVs sollten Schuster zufolge beim Parken anders bewertet werden als Kleinwagen. Ebenso für das Momentum Institut vorstellbar wären ein Verbrennerverbot und die Besteuerung von Flügen. Im Chicagoer Abkommen von 1944 ist beispielsweise geregelt, dass für Kerosin keine Steuer fällig ist. Den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln sieht das Institut ebenfalls als zentrales Instrument für mehr Klimaschutz.

Die reichsten zehn Prozent verursachen in Österreich fast so viele Emissionen wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung // Quelle: Momentum Institut // © Tommy Spicka

Doch zurück zum Wohnen und Heizen: Auch dort könne man ansetzen, so Schuster. Sie schlägt einen vergünstigten Grundbedarf bei Gas und Strom vor, damit „Grundbedürfnisse leistbar bleiben. Darüberhinausgehender Energieverbrauch sollte dafür teurer werden, um Sparanreize bei exzessivem Verbrauch zu setzen.“

Fazit? Wenn Sie sich eine Photovoltaikanlage, einen Stromspeicher und ein Elektroauto leisten können, dann schaffen Sie sich diese Dinge doch an. Aber vergessen Sie dabei nicht, dass Sie abseits von Heizen, Kühlen, Wohnen und Unterwegssein auch noch CO2 verursachen. Und wenn Sie nicht zu dieser Gruppe gehören, bleibt Ihnen noch die Hoffnung, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern.

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Moritz Hell

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