Klimadebatte im Bann des „Verschleppungsdiskurses“

Kritik wird mitunter nicht als Teil des demokratischen Prozesses verstanden, sondern als Störfaktor.

29.04.2025 15:53
Redaktion
© GKI / MGM

In der österreichischen Klimadebatte hat laut einer neuen Studie der Anteil sogenannter “Verschleppungsdiskurse” deutlich zugenommen. Das am Dienstag in Wien präsentierte “Klimadiskurs-Monitoring” des Instituts Kontext berichtet von einem Anstieg verschleppender Argumentationsmuster von 16 auf 28 Prozent. Gleichzeitig sei die Gesamtzahl klimapolitischer Beiträge in den Medien gegenüber 2023 um 13 Prozent zurückgegangen.

Basis der Untersuchung ist eine Stichprobe von 612 klimapolitischen Aussagen aus dem Wahljahr 2024, die anhand bestimmter Kriterien in “konstruktive” und “verschleppende” Beiträge unterteilt wurden. Als maßgebliche Akteure im Diskurs wird erneut die Politik identifiziert, die 35 Prozent der Aussagen stellt – darunter überproportional viele, die als verschleppend klassifiziert wurden, vor allem aus den Reihen von ÖVP und FPÖ.

Hier geht’s zur Studie

Sprachregelungen im Klimadiskurs

Die Autoren der Studie erheben dabei einen Anspruch, der kritisch zu hinterfragen ist: Was als konstruktiv oder destruktiv zu gelten hat, wird durch ihre Kategorisierung festgelegt – samt dem impliziten Vorwurf, dass das Hinterfragen von Maßnahmen automatisch dem Klimaschutz schade. So kann beispielsweise eine kritische Diskussion über die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Energiewende rasch als “Verschleppung” eingestuft werden, auch wenn sie auf reale Interessenkonflikte hinweist.

Dass das Monitoring ein legitimes Bemühen dokumentiert, Klima-Argumentationen systematisch zu erfassen, steht außer Zweifel. Doch indem es die Deutung über die “richtige” Diskursform gleich mitliefert, bestimmt es die Regeln. Und macht sich damit selbst zum Teilnehmer jenes politischen Diskurses, den es zu analysieren gilt.

Verengung der Debatte

Gerade in Wahljahren, wenn gesellschaftliche Prioritäten neu verhandelt werden, sind Zweifel, Widersprüche und unterschiedliche Gewichtungen Zeichen einer lebendigen Demokratie – auch im Umgang mit Klimapolitik. Wer etwa nationale Standortfragen oder Versorgungssicherheit höher gewichtet als globale Klimaziele, mag klimapolitisch anders priorisieren, agiert aber nicht zwangsläufig destruktiv.

Indem das Monitoring legitime politische Argumentationsmuster teils als “Verschleppung” rahmt, verschiebt es den Maßstab öffentlicher Diskussion: Kritik wird nicht mehr als Teil des demokratischen Prozesses verstanden, sondern als Störfaktor auf dem Weg zu einer als richtig gesetzten Agenda.

Diskurs braucht Offenheit

Dass in der Klimapolitik entschlossenes Handeln nötig ist, bestreitet niemand. Studien wie das “Klimadiskurs-Monitoring” leisten einen Beitrag zur Beobachtung von relevanten News-Quellen. Eine Definition, was im gesellschaftlichen Gespräch noch als konstruktiv gelten darf, hätten die Studienmacher deutlicher kennzeichnen – eventuell sogar auslagern sollen. Denn wer weiß: Vielleicht wird auch dieser Artikel als “Zuwachs an destruktiven Argumenten in der österreichischen Klima-Debatte” interpretiert.

(red)

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