Wie giftiges Arsen die Evolution vorantrieb
Vor 2,1 Milliarden Jahren lernten erste Lebewesen, sich gegen eines der gefährlichsten Umweltgifte zu wappnen.

Im Kampf ums Überleben war Erfindungsreichtum schon vor Milliarden Jahren gefragt. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass urzeitliche Lebewesen bereits eine erstaunlich raffinierte Strategie entwickelt hatten, um mit einem giftigen Spurenelement fertigzuwerden: Arsen. Das toxische Halbmetall ist heute als Umweltproblem bekannt – doch in den ältesten bekannten Fossilien makroskopischer Lebewesen spielte es bereits eine zentrale Rolle.
Fossilien aus Gabun
Ein internationales Forschungsteam rund um den Geologen Abderrazak El Albani von der Universität Poitiers untersuchte 2,1 Milliarden Jahre alte Fossilien aus Gabun, die zu den frühesten koloniebildenden Organismen der Erde gehören. Die sogenannten „Gabonionta“ waren bereits mehrzellig und erreichten eine Größe von bis zu 17 Zentimetern – ein evolutionärer Quantensprung.
Die Fundschichten stammen aus einer Zeit, in der erstmals Sauerstoff in der Erdatmosphäre verfügbar war – dem sogenannten „Great Oxidation Event“. Doch mit dem Sauerstoff kam auch ein Problem: Arsen, das gemeinsam mit Phosphat in die Organismen gelangte und dort lebensbedrohlich wirkte. Arsen kann Proteine blockieren und den Energiestoffwechsel stören – eine tödliche Gefahr für jede Lebensform.
Entgiftung als Durchbruch
Die Analyse der Fossilien brachte eine erstaunliche Entdeckung: Das Arsen war nicht zufällig im Gestein verteilt, sondern konzentrierte sich in bestimmten Bereichen der ehemaligen Lebewesen. Offenbar hatten die Gabonionta bereits einen Mechanismus entwickelt, um das Gift im Körper chemisch zu reduzieren, zu entgiften und in speziellen Zellbereichen zu speichern.
Damit könnten sie die ersten Lebewesen gewesen sein, die nicht nur mit Arsen überleben konnten, sondern es möglicherweise sogar als Spurenelement nutzten. Ein evolutionärer Meilenstein – auch mit Blick auf uns Menschen: Der menschliche Körper enthält im Schnitt rund sieben Milligramm Arsen. In kleinsten Mengen wird es als harmlos, teils sogar als physiologisch relevant angesehen.
Die chemischen Spuren dieser uralten Entgiftungsstrategie sind bis heute im Gestein erhalten – in Form von Pyrit, dem sogenannten Katzengold. Nach dem Tod der Organismen ging das gebundene Arsen neue Verbindungen ein und überdauerte so über zwei Milliarden Jahre.
Blick ins Naturhistorische Museum
Wer sich selbst ein Bild von den faszinierenden Gabun-Fossilien machen will, kann sie aktuell im Naturhistorischen Museum Wien bestaunen. Drei der originalen Fundstücke aus Afrika sind als Leihgabe der Universität Poitiers in Saal 6 zu sehen – ein Blick in die tiefste Vergangenheit des Lebens. Die dazugehörige Studie wurde kürzlich im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
(PA/red)