Die Ozeane werden immer saurer
Der pH-Wert der Meere sinkt rapide – mit dramatischen Folgen für Korallen, Muscheln und sogar Haie.

Die Weltmeere nehmen jedes Jahr rund ein Viertel des vom Menschen ausgestoßenen Kohlendioxids auf. Was wie ein Schutzschild gegen den Klimawandel klingt, hat eine bedrohliche Nebenwirkung: Das CO₂ löst sich im Wasser und bildet Kohlensäure. Der pH-Wert der Ozeane ist dadurch seit Beginn der Industrialisierung um rund 40 % saurer geworden. 2024 lag der globale Durchschnitt bei nur noch 8,04 – der niedrigste Wert seit Beginn der Messungen.
Bedrohte Lebensgrundlagen im Meer
Die Folgen sind weitreichend. Besonders empfindlich reagieren Lebewesen, die Kalkschalen oder Skelette bilden:
- Korallenriffe verlieren ihre Fähigkeit, stabile Strukturen aufzubauen. Schon heute ist die Wachstumsrate vieler Riffe deutlich gesunken.
- Muscheln, Austern und Seeigel entwickeln dünnere oder zerbrechlichere Schalen – in der Antarktis wurden bereits brüchigere Seeigelpanzer nachgewiesen.
- Kalkplankton und Pteropoden (Kleinstlebewesen mit Kalkgehäuse) lösen sich teilweise bereits in heutigen Meerwasserproben auf. Diese Organismen sind jedoch unverzichtbar am Anfang der Nahrungsketten.
Die Kaskade reicht bis zu größeren Räubern: Eine aktuelle Studie zeigt, dass selbst Haizähne durch den sinkenden pH-Wert angegriffen werden. Bei simulierten künftigen Bedingungen (pH 7,3) verloren Zähne von Riffhaien rund 50 % ihrer Widerstandskraft – ein Risiko für ihre Jagdfähigkeit und damit für das gesamte Ökosystem.
Lebensräume in Gefahr
Wenn Korallenriffe sterben, verschwinden nicht nur spektakuläre Lebensräume, sondern auch natürliche Küstenschutzwälle gegen Stürme. Versauerte Ozeane können weniger CO₂ binden, was den Klimawandel zusätzlich beschleunigt. Auch die Fischerei ist bedroht: Bricht das Kalkplankton ein, fehlt die Basis für kommerziell wichtige Arten wie Hering oder Lachs.
Hilfe für die Ozeane
Die EU hat sich mit dem „Green Deal“ ehrgeizige Ziele gesetzt: bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Reduktion von CO₂-Emissionen ist der einzige wirksame Hebel gegen die Übersäuerung – insofern adressiert die Klimapolitik das Problem indirekt. Doch eine gezielte Strategie gegen Ozeanversauerung gibt es bislang nicht.
Programme wie Copernicus überwachen die Veränderungen, die Marine-Strategie-Rahmenrichtlinie fordert „guten Umweltzustand“ in europäischen Gewässern, und der EU Ocean Pact verweist auf „Blue Carbon“-Ansätze wie Seegraswiesen. Doch konkrete, verbindliche Maßnahmen fehlen. Das Thema bleibt ein Nebenschauplatz – obwohl die wissenschaftlichen Warnungen lauter werden.
Die Versauerung der Meere ist eine der größten, aber wenig beachteten Krisen des Klimawandels. Von winzigen Planktonorganismen bis zu Haien und Korallen – das Fundament der Ozeane wird angegriffen. Solange die Klimapolitik keine Lösung findet, bleibt die stille Bedrohung bestehen: eine schleichende Erosion mariner Lebenswelten, die am Ende auch den Menschen treffen wird.
(red)