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Baustellenhelm statt Aluhut

Begegnung mit einem Mann, der kein Prepper sein will und doch einer ist.

13.06.2024 14:45
LB
© Adobe Stock

Sollte der Ernstfall eintreten, dann ist der Steirer Josef P. vorbereitet. Der Pensionär will seine Familie beschützen und versorgen können, wenn es doch einmal soweit sein sollte, dass das Leben von heute auf morgen durch eine Krise auf den Kopf gestellt wird. Deswegen hat er sich in seinem Keller einen 15 m2 großen Lagerraum eingerichtet. Check-List hat den Mann, der mit dem Ausdruck „Prepper“ wenig anfangen kann, in seinem Zuhause besucht.

Menschen, die sich intensiv auf Krisenszenarien vorbereiten, bezeichnet man heutzutage als Prepper. Verblendete Aluhutträger am rechten Rand – als solche sind sie oft verschrien. Menschen, die sich in Foren zusammenrotten und rechtsextreme Ideologien und Verschwörungstheorien verbreiten. Doch die Verunsicherung unserer Zeit durchdringt mittlerweile alle Gesellschaftsschichten. Der Kumpel, der Konserven hortet, die eigene Mutter, die Bargeld im Strumpf versteckt, oder die Tante, die sich ein „Notfallklo“ auf Amazon bestellt. Sich vorzubereiten scheint immer allgegenwärtiger zu werden. Unser Interview mit einem Mann, der nur „gewappnet“ sein will, könnte also überall in Österreich geführt worden sein, so scheint es.

Pandemie als Probelauf

„Ich bin kein Rechter.“ Das ist der erste Satz, den uns Josef P. – noch zwischen Tür und Angel – entgegenruft, als wir den 65-Jährigen in seinem Haus in der Oststeiermark besuchen. Anonym will er bleiben, „sonst glauben ja gleich alle, man ist gestört.“ „Gestört“ ist der pensionierte Handwerker – soweit wir das ohne psychologisches Gutachten beurteilen können – nicht. Etwas schrullig vielleicht. Und eigensinnig. Aber auf eine sympathische Weise. Doch ist uns klar, dass „Krisenvorsorger“ oft als paranoid angesehen werden, daher kommen wir seinem Wunsch nach Anonymität natürlich nach.

„Die Pandemie war für mich der Probelauf“, meint der Mann im karierten Flanellhemd und in der Arbeiterlatzhose vom Baumarkt, den wir gerade beim Füttern seiner Katze gestört haben, als wir an seiner Tür läuteten. Während er Stubentiger „Schnuppi“ das Köpfchen krault, erzählt uns der Pensionär von seinen Beweggründen, sich auf einen eventuellen Ernstfall vorzubereiten. „Corona hat uns ja auch alle aus dem Hinterhalt eiskalt erwischt. Das war schon ein mulmiges Gefühl. Das passiert mir nimma… Dass alles bei uns in Österreich im Nachhinein halb so schlimm war, weil ja auch die Geschäfte immer offen gehabt haben und wir ja auch in unseren Garten gehen konnten, das war ein Glückstreffer. In China hätte ich wahrscheinlich Platzangst bekommen.“ Auch, dass ein Virus Logistik und Kommunikation nicht angreifen kann, sei „etwas durchaus Positives“.

Keine Lust auf Weltuntergang

Josef wünscht sich den Weltuntergang natürlich nicht herbei. „Aber was ist, wenn zum Beispiel – so wie man’s jetzt auch überall hört – wirklich der Strom ausfällt? Wir alle sind ja mittlerweile Opfer des Internets und der Telekommunikation.“ Josef überlegt, sich ein Satellitentelefon zu kaufen. Aber so etwas kostet im Schnitt zwischen 400 und 1500 Euro, und seine Frau ist daher gegen diese Anschaffung. Ein Notstrom-
aggregat fände sie da schon besser. „Die glaubt manchmal ja auch schon, ich schnappe über.“ 

Anonym: Josef will unerkannt bleiben. Er hat Angst, als „Verschwörungstheoretiker” zu gelten // © Check-List Magazin

Josef denkt viel darüber nach, wie eine fehlende Stromversorgung alltägliche Abläufe zur Herausforderung machen würde. „Bei uns im Haus funktioniert ja auch nix mehr ohne Anschluss ans Stromnetz. Kein Herd. Kein Fön. Kein Licht. Wir würden also mit leerem Magen und nassen Haaren im Dunklen sitzen. Das interessiert mich nicht. Die Neandertaler konnten sich auch ohne Strom zurechtfinden“, meint der gelernte Landwirt. „Da sollten wir vom Intellekt ja wohl auch soweit sein.“ Angst davor, frieren zu müssen, hat er nicht. „Wir haben einen Kachelofen, und wenn uns das Holz ausgeht, dann schneide ich mit der Säge einen Baum um. Ich mag die Holzarbeit.“ Somit ist Josef privilegiert: am Land lebend und geschickt mit den Händen. Das weiß er: „Stell sich einer vor, man lebt in einer Wohnung in Wien und ist so tollpatschig, dass man selbst für das Einschlagen eines Nagels in die Wand jemanden beauftragen muss. Solche Leute haben es sicher schwerer in Zeiten einer Krise.“

Wenn der kleine Hunger kommt

Auch in Sachen Essensbeschaffung ist er zuversichtlich. „Zur Not werden wir Vegetarier. Viecherl bring ich keines um. Das könnte ich wirklich nicht, auch wenn ich damals in der Landwirtschaftsschule ein Schwein schlachten musste. Aber wir bauen selber Gemüse an. Somit essen wir dann halt das. Meine Frau hat auch einiges eingelegt. Und wir haben auch einen Vorrat an Konserven. Zur Not essen wir halt tagelang Thunfischsalat.“ Für 100 Tage würde der Notfalls-Proviant nicht reichen. „Aber wenn 100 Tage Blackout ist, dann haben wir entweder schon gelernt, uns an die Gegebenheiten anzupassen, oder wir sind eh schon alle miteinander untergegangen.“ Kochen muss übrigens weiterhin seine Frau. „Ich kann nix außer einer Eierspeise.“ Nachdem sie aber keine Hühner haben, ist eine Eierspeis-Diät im Ernstfall keine Option. Damit das mit dem Kochen klappt, hat Josef den Campingkocher aus den Achtzigern vom Dachboden geholt. „Der funktioniert noch tadellos. Nur die Kartusche muss man wechseln. Und einen Gasgrill haben wir auch, da ist die Flasche bummvoll.“ Wie man ohne Hilfsmittel wie Feuerzeug oder Streichholz Feuer macht, das hat Josef noch nie ausprobiert. Einen Kurs beim Zivilschutzverband will er aber auch noch machen. „Nutzt es nix, schadet es auch nix“, meint Josef. „Ich hoffe, man lernt dort so primitive Sachen wie Feuer machen. Wenn nicht, dann schau ich mir halt ein Video auf YouTube an. Jetzt geht das ja noch“, grinst er.

Während des Lockdowns hat Josef damit angefangen, in seinem Garten einen Brunnen zu bauen, inklusive Bewässerungsanlage. Er möchte autark sein, soweit es eben irgendwie möglich ist. „Wasser bedeutet Leben und auch Überleben… Nach drei Tagen ohne Wasser ist man weg vom Fenster“, murmelt er, während er uns von seinem großen Wohnzimmer aus zeigt, wo er im Garten seine Wasserversorgung gebaut hat. „Ich habe mal einen Satz gelesen: ‚Es gibt nur einen Schock, der härter ist als der völlig unerwartete – der erwartete, für den ich mich weigerte, Vorbereitungen zu treffen.‘ Daran glaube ich.“

Prepper – Individualisten, Verschwörungstheoretiker oder Menschen mit Weitsicht? // © Adobe Stock

Was seine Kinder dazu sagen, dass er so „vorausschauend“ ist? „Sie unterstellen mir eine gewisse Lust an der Katastrophe. Das kann man, finde ich, so nicht sagen. Aber was schon stimmt, ist, dass es mir Spaß macht, mich mit einem Thema voll und ganz auseinanderzusetzen. Ich war schon immer der emotionalere Typ. Wenn ich was mache, dann will ich es gescheit machen.“

Vertrauen in die Menschheit

Auf die Politik will er sich in Zeiten einer Krise nicht verlassen, man habe ja schon gesehen, wohin das bei Corona geführt hat. „Bevor die, wenn’s wirklich ganz bitter für uns alle kommt, vorsorgen und sich um uns kümmern, setzen die sich irgendwohin ins ‚Paradies‘ ab. Unsere Politiker scheren sich nicht ums Volk. Die sind sich immer selbst am nächsten. Das ist jetzt schon so. Das wird im Ernstfall nicht anders sein.“ 

Einzig sein Vertrauen in die Menschheit an sich ist noch nicht erschüttert. „Ich glaube, durch Krisen rücken die Menschen auch näher zusammen. Eine Krise bringt den wahren Charakter von Menschen hervor. Da gibt es bestimmt die, die zu ihren Gunsten plündern und rücksichtslos und ich-bezogen sind, aber auch die, die dem Nachbar in Not helfen.“ Auch er will den Leuten helfend die Hand reichen, wenn es schwierig für alle wird. „Wir sitzen ja dann alle im selben Boot. Einzelkämpfer überleben, denke ich, nicht. Im Rudel ist man immer stärker. Ich denke, dass der Gemeinschaftsgedanke dann schon wieder stärker und die Sippe auch wieder eine größere Rolle spielen wird.“ Daher will Josef auch von seinen Fertigkeiten oder seinem Brunnenwasser natürlich jedem etwas abgeben. „Solange es fließt, haben wir alle was davon. Gierig dürfen wir nicht werden.“

Kein Endzeit-Szenario

Dass er durch seine „Weitsicht“ innerfamiliär oder unter Freunden zu denjenigen gehört, die vielleicht Angst verbreiten, denkt Josef nicht. „Ich zeichne ja kein Endzeit-Szenario. Ich glaube, es wird immer weitergehen. Die Erde dreht sich unentwegt weiter, egal was wir Menschen verbrechen. Denn am Ende sind wir ja an jeder Krise immer nur selber schuld. Mir geht es um ein Bewusstsein für die Krisenvorsorge. Meine Schwiegermutter ist 85 Jahre alt. Ist also im 2. Weltkrieg aufgewachsen. Sie schaut mich nicht komisch an, wenn ich ihr sage, dass ich im Keller ein Notfalllager habe.“ Denn auch ein solches hat er sich eingerichtet. Dort kann man alles lagern, was man für den Ernstfall so braucht, und „es steht nicht im Weg herum. Ich habe den Boden hier frisch verfliest, damit das auch ordentlich ausschaut. Macht ja auch Spaß, etwas schön herzurichten, auch wenn es für einen eventuellen Katastrophenfall ist.“ 

Josefs Art und Weise, sich für eine mögliche Krise zu rüsten, ist seiner Meinung nach kein Hirngespinst oder zeugt von Langeweile in der Pension. „Ich trage grundsätzlich lieber Baustellenhelm als Aluhut. Warum also nicht gleich etwas bauen, was auch Sinn macht!“

Portrait

Rosa Vogel

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