Der einsam Wolf im 21. Jahrhundert

Er gilt als bedroht und heimlicher Killer. Doch der Wolf ist nicht der einzige Europäer, den Einsamkeit quält.

16.09.2025 10:07
Redaktion
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Einsamer Wolf

Laut einer aktuellen Erhebung eines Umfrageinstituts unter mehr als 30.000 Befragten in 14 europäischen Ländern fühlt sich rund ein Fünftel der Menschen oft einsam. Ein Drittel gibt an, dass ihre Lebensqualität dadurch eingeschränkt wird. Österreich liegt in dieser Statistik am unteren Ende der Skala: Nur 13 Prozent fühlen sich hierzulande häufig einsam, 21 Prozent bezeichnen sich als sehr glücklich – ein Wert leicht über dem europäischen Schnitt.

Der Wolf als Symbol

Die Einsamkeit im 21. Jahrhundert teilen nicht nur Menschen. Auch Tiere sind es – und waren es schon immer. Zumindest wenn man gängigen Klischees glaubt. Fragt man den Fuchs, ob der Wolf einsam sei, würde er wohl die richtige Antwort kennen: Ganz so allein ist der Wolf nicht – besonders dann nicht, wenn er Gesellschaft auf Weiden sucht oder Zäune überwindet.

Der Wolf in Österreich ist mehr als ein Symbol. Er gilt als Einzelgänger, lebt gefährlich, ist zugleich bedroht und immer wieder Ziel politischer Debatten über Abschüsse. Seine Einsamkeit ist die des Überlebenden, nicht die des Opfers. Er bevorzugt Rückzugsräume: Wälder, Almen, unwirtliche Täler. Wo er sich niederlässt, bleibt er selten lange unbeobachtet. Die Debatte um seine Daseinsberechtigung spiegelt wider, wie schwer sich die Gesellschaft mit echten Einzelgängern tut.

Einsame Feinschmecker

Frankreich erinnert an die Nachtigall, deren Gesang seit Jahrhunderten für Melancholie steht. Das Land bringt es in der Studie auf 16 Prozent sehr Glückliche, während 27 Prozent angeben, oft einsam zu sein. Ein Klang, der die Vergangenheit nachhallen lässt und die Gegenwart prägt.

Die Nachtigall ist ein Vogel der Dämmerung. Sie bevorzugt dichte Gebüsche und lichte Wälder, ihre Stimme trägt weit in der Stille der Nacht. In höfischer Zeit galt sie als Delikatesse – ihre Zungen wurden bei königlichen Tafeln verspeist, ein makabres Symbol für den Versuch, sich den Gesang einzuverleiben. Heute singt sie unbeirrt weiter, als läge in jeder Strophe Erinnerung an diese Geschichte.

Dolce Vita – saures Leben

Und dann die Kraniche, Sinnbild für Aufbruch und Flucht. In Italien leidet fast die Hälfte der Befragten spürbar unter Einsamkeit, in der Türkei ist mehr als ein Viertel oft betroffen. Wie Zugvögel suchen viele dort nach Auswegen, manchmal in fernen Ländern, wo das Leben vermeintlich leichter ist.

Der Kranich ist ein Vogel weiter Ebenen, zieht über Kontinente hinweg. Sein Ruf kündigt den Wechsel der Jahreszeiten an. Wenn er in großen Formationen aufbricht, wirkt er zwar nicht einsam, aber geht in der Masse unter. Wenn ein Vogel den Anschluss verliert, bleibt er zurück. Der Schwarm gibt die Richtung vor.

Einsame App-User

Die Bilder der Tiere zeigen, was Zahlen verdeutlichen: Einsamkeit hat viele Gesichter, sie reicht vom heimlichen Killer im Wald bis zum Gesang der Nacht. Wer genau hinsieht, erkennt: Es lohnt sich, Empathie nicht nur für Menschen zu entwickeln, die für ein paar Netsch ihre Daten preisgeben, die Konsequenzen nicht verstehen und ihre eigene Vereinsamung noch befördern. Sondern auch für jene Arten, die unsere Metaphern tragen und zugleich real bedroht sind.

(PA/red)

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