Frankreich plant „Überlebenshandbuch“
Jeder Haushalt soll zur Vorbereitung auf Krisen eines bekommen.

Inmitten wachsender sicherheitspolitischer Unsicherheiten und einem geopolitischen Wandel in Europa plant Frankreich, ein „Überlebenshandbuch“ an alle Haushalte im Land zu verteilen. Die 20-seitige Broschüre soll Bürgerinnen und Bürger mit praktischen Anleitungen versorgen, wie sie sich im Ernstfall – sei es ein militärischer Angriff, eine Naturkatastrophe oder eine andere Krise – schützen können.
Krisenvorsorge als nationale Pflicht
Wie ein Sprecher des französischen Premierministers François Bayrou gegenüber Medien bestätigte, zielt das Handbuch darauf ab, die „Resilienz der Bevölkerung gegenüber verschiedenen Krisenszenarien“ zu stärken. Darunter fallen nicht nur sicherheitspolitische Bedrohungen wie ein bewaffneter Konflikt oder ein Atomunfall, sondern auch technologische Zwischenfälle, Cyberangriffe und Gesundheitskrisen wie etwa die COVID-19-Pandemie.
Das Handbuch ist in drei Abschnitte unterteilt: Es informiert über Sofortmaßnahmen bei drohender Gefahr, nennt zentrale Notrufnummern und Radiosender zur Informationsbeschaffung, und erklärt, wie man sich durch freiwilliges Engagement – etwa in Reserveeinheiten oder bei der Feuerwehr – aktiv an der Krisenbewältigung beteiligen kann.
Survival-Kit für 72 Stunden
Zentrales Element der Vorbereitung ist ein empfohlener „72-Stunden-Notfallrucksack“. Dieser soll u.a. mindestens sechs Liter Wasser, haltbare Lebensmittel, eine Taschenlampe, Batterien, Bargeld sowie medizinische Grundversorgung wie Paracetamol, Kompressen und eine Kochsalzlösung enthalten. Das Ziel: Selbstversorgung während der kritischen ersten 72 Stunden nach einem Vorfall, wenn staatliche Hilfe möglicherweise noch nicht verfügbar ist.
Die Behörden raten zudem dazu, den Rucksack griffbereit aufzubewahren und dessen Inhalt einmal jährlich auf Haltbarkeit zu überprüfen.
Geopolitischer Hintergrund
Obwohl die Regierung betont, dass das Handbuch nicht als direkte Reaktion auf die derzeitige geopolitische Lage entworfen wurde, ist der Zeitpunkt kein Zufall. Präsident Emmanuel Macron hatte Anfang März in einer nationalen Ansprache deutlich gemacht, dass Frankreich seine Verteidigungshaltung grundlegend überdenken müsse.
„Wir müssen uns besser ausstatten, unsere Verteidigungshaltung stärken – im Sinne des Friedens, aber auch zur Abschreckung“, so Macron. Er warnte vor einer zunehmenden Bedrohung durch Russland und äußerte Zweifel an der langfristigen sicherheitspolitischen Unterstützung durch die USA: „Ich möchte glauben, dass die USA an unserer Seite bleiben, aber wir müssen vorbereitet sein, falls das nicht der Fall ist.“
Als Teil der Neuausrichtung kündigte Macron unter anderem an, die Zahl der militärischen Reservisten bis 2035 von 40.000 auf 100.000 zu erhöhen und Investitionen in militärische Ausrüstung deutlich zu steigern.
Europa rüstet auch zivil auf
Frankreich steht mit diesem Schritt nicht allein. Bereits Ende 2023 hatten Länder wie Schweden, Norwegen und Finnland vergleichbare Informationsmaterialien an ihre Bevölkerung verteilt. In Schweden etwa wurde die Broschüre „Om krisen eller kriget kommer“ („Wenn die Krise oder der Krieg kommt“) an alle fünf Millionen Haushalte versendet – eine Neuauflage eines Konzepts aus dem Zweiten Weltkrieg.
Die Initiative der französischen Regierung reiht sich somit ein in einen europaweiten Trend: Zivile Vorsorge wird zunehmend als integraler Bestandteil der nationalen Sicherheitspolitik verstanden.
Die geplante Veröffentlichung des französischen Überlebenshandbuchs signalisiert einen Paradigmenwechsel in der staatlichen Kommunikation mit der Bevölkerung: Sicherheit ist nicht länger ausschließlich Aufgabe von Polizei oder Militär, sondern wird zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. In einer Zeit wachsender Unsicherheit will Frankreich vorbereitet sein.
Ob das Handbuch bereits vor dem Sommer in französischen Briefkästen liegt, hängt nun von der finalen Freigabe des Premierministers ab.