Wie Sonnencremes die Weltmeere belasten
Chemische UV-Blocker gelten als Mitverursacher des Korallensterbens. Zwei Inhaltsstoffe wurden deshalb verboten.

Die Sorge um die Gesundheit der Meere hat längst auch die Sonnenschutzmittelbranche erreicht. Denn was an Land vor Sonnenbrand schützt, kann unter Wasser zum Risiko werden: Rund 14.000 Tonnen Sonnencreme gelangen Schätzungen zufolge jährlich in die Ozeane – etwa durch Schwimmer, aber auch über Abwässer. Besonders zwei chemische UV-Filter – Oxybenzon und Octinoxat – gelten als problematisch für marine Ökosysteme.
Hawaii als Vorreiter
Als erster US-Bundesstaat beschloss Hawaii ein Verkaufsverbot für Sonnencremes mit Oxybenzon und Octinoxat, das Anfang 2021 in Kraft trat. Beide Substanzen sollen das Erbgut von Fischen schädigen und das Wachstum junger Korallen hemmen. Doch die Kritik an chemischen UV-Filtern beschränkt sich längst nicht mehr auf diese beiden Stoffe.
Eine im Fachjournal Science of the Total Environment (2020) veröffentlichte Studie des spanischen CSIC-Instituts belegt etwa, dass Oxybenzon schon in sehr geringen Konzentrationen Korallenbleiche auslösen kann. Andere Untersuchungen zeigen hormonähnliche Wirkungen bei Fischen und Veränderungen im Planktonbestand. Besonders betroffen sind Küstenregionen mit hohem Badeaufkommen – etwa im Mittelmeerraum, in der Karibik oder in Südostasien.
Chemiecocktail im Ökosystem
Neben den klassischen UV-Filtern wie Benzophenonen oder Camphor-Derivaten geraten auch weitere Stoffe wie Ethylhexylmethoxycinnamat und Homosalat in den Fokus der Umweltforschung. Sie sind in vielen handelsüblichen Sonnencremes enthalten und in der EU noch zugelassen – trotz Hinweisen auf potenziell endokrine Effekte. Eine aktuelle Studie aus Frankreich (Université Côte d’Azur, 2023) konnte die Anreicherung mehrerer Filterstoffe im Gewebe von Muscheln und Seeigeln nachweisen.
Umwelttoxikologen betonen, dass die Wirkung der UV-Filter nicht isoliert betrachtet werden kann. „Es handelt sich um komplexe Wechselwirkungen mit anderen Stressfaktoren wie Temperaturerhöhung oder Überdüngung“, erklärt die Meeresbiologin Prof. Chantal Roche vom CNRS. Die Filterstoffe wirkten in dieser Gemengelage wie ein Katalysator – mit potenziell dramatischen Folgen für empfindliche Riffe.
Umweltfreundliche Alternativen
Als Reaktion auf den öffentlichen Druck bieten viele Hersteller mittlerweile „reef safe“-Produkte an. Diese enthalten meist mineralische Filter wie Zinkoxid oder Titandioxid, gelten als besser abbaubar und werden weniger bioakkumulativ. Allerdings zeigen auch hier Studien, dass eine Gefährdung für Meerestiere nicht ausgeschlossen werden kann – insbesondere in Form von Nanopartikeln.
Verbraucher stehen damit vor einem Dilemma: Schutz vor Hautkrebs ja – aber möglichst ohne ökologische Nebenwirkungen. Die beste Lösung, sagen Experten, bleibt der bewusste Umgang mit Sonnencreme: sich erst nach dem Baden eincremen, UV-Kleidung nutzen und Produkte mit bedenklichen Inhaltsstoffen meiden.
(red)