Heiß oder kalt – die Toten des Klimawandels

Wissenschaftler rechnen heuer mit 16.500 Hitzetoten in Europa, doch die Wintersterblichkeit bleibt unbeachtet.

17.09.2025 14:39
Redaktion
© Adobe

Wenn von den Folgen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit die Rede ist, stehen Hitzewellen und ihre Opfer häufig im Fokus. Laut einer aktuellen Modellrechnung des Imperial College London und der London School of Hygiene and Tropical Medicine sollen allein im Sommer 2025 rund 16.500 Todesfälle in europäischen Städten auf den Klimawandel zurückzuführen sein. Das sind etwa 70 Prozent aller geschätzten 24.400 Hitzetoten in 854 untersuchten Städten.

Hitze- und Kältekiller

Die Studie arbeitet mit epidemiologischen Modellen, die Temperaturanstiege und Sterberisiken verknüpfen. Die Todesursache „Hitze“ findet sich nicht am Totenschein – registriert werden Herzstillstand, Schlaganfall oder Nierenversagen. Erst in der statistischen Auswertung zeigt sich der Zusammenhang: Schon Verschiebungen von zwei bis vier Grad Celsius können Tausende Leben kosten, warnen die Autor:innen.

Aber auch Kälte fordert jährlich viele Opfer, vor allem durch Atemwegsinfektionen, Kreislaufbelastungen und Pneumonien. Epidemiologen schätzen seit Jahren, dass die Zahl der sogenannten „Kältetoten“ höher ist als die der Hitzetoten. In Europa sind Wintermonate traditionell jene mit der höchsten Sterblichkeit – unabhängig davon, dass die Ursache nicht „Kälte“ heißt, sondern Grippe, RSV oder Lungenentzündung.

Frühere Studien

In einer 2023 in Nature Medicine veröffentlichten Untersuchung zu den Sommermonaten 2022 wurde die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Europa auf 61.672 geschätzt. Eine Nachfolgestudie im Sommer 2023 kam auf 47.690 Opfer. Beide Arbeiten sind peer-reviewed und untermauern den langfristigen Trend: Hitzetote nehmen zu, auch wenn die Zahlen je nach Witterung variieren.

Gleichzeitig deuten Analysen, etwa im Lancet Planetary Health, auf einen gegenläufigen Effekt hin: Mildere Winter senken die Zahl der Kältetoten. Doch die Entlastung wird durch die zusätzlichen Hitzetoten inzwischen übertroffen. Mit anderen Worten: Der Klimawandel verschiebt die Sterblichkeit – weg von Kälte, hin zu Hitze.

Die unbekannte Zahl

Die aktuelle Studie aus London legt den Fokus ausschließlich auf Hitzewellen. Eine systematische Berechnung, wie viele Kältetote der Klimawandel inzwischen verhindert oder verschoben hat, bleibt offen. Dabei wäre gerade diese Bilanz interessant, um die volle Tragweite der Klimaauswirkungen auf die Gesundheit zu verstehen. Klar ist: Europa altert, die Bevölkerung wird verletzlicher, und jedes Grad mehr oder weniger entscheidet über Leben und Tod – ob im Sommer oder im Winter.

Zwei Grad mehr

Seit den 1970er-Jahren hat sich die mittlere Temperatur in Europa um rund 1,5 Grad erhöht, in Städten oft noch stärker. Dieser Anstieg wirkt für sich betrachtet gering, hat aber spürbare Folgen: Die heutige ältere Bevölkerung ist mit deutlich kühleren Sommern aufgewachsen und daher weniger an längere Hitzeperioden gewöhnt. Für viele Menschen über 65 bedeuten zusätzliche zwei Grad eine erhebliche Gesundheitsbelastung.

(red)

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Themen