Wenn das Immunsystem sich selbst bekämpft
Der Medizin-Nobelpreis feiert alte Theorien und sendet ein Trostpflaster an Millionen Betroffene ohne Heilung.

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht in diesem Jahr an die Forscherin Mary E. Brunkow, den Forscher Fred Ramsdell (beide USA) und Shimon Sakaguchi (Japan). Das gab das Nobelkomitee des Karolinska-Instituts am Montag in Stockholm bekannt. Ausgezeichnet werden die drei für ihre grundlegenden Entdeckungen zur sogenannten Immuntoleranz – also zur Fähigkeit des Körpers, zwischen fremden und körpereigenen Strukturen zu unterscheiden.
Grundlagen für das Verständnis von Autoimmunerkrankungen
Die Arbeiten der Forschenden haben wesentlich dazu beigetragen zu erklären, wie das Immunsystem übermäßige Abwehrreaktionen vermeidet. Sakaguchi identifizierte Mitte der 1990er-Jahre eine bis dahin unbekannte Gruppe weißer Blutkörperchen, die sogenannten regulatorischen T-Zellen. Diese Zellen verhindern, dass das Immunsystem körpereigene Gewebe angreift.
Kurz darauf entdeckten Brunkow und Ramsdell, dass eine Mutation im Foxp3-Gen genau diese Immunzellen beeinträchtigt und in Tiermodellen zu schweren Autoimmunreaktionen führt. Die Arbeiten der drei Forschenden legten damit die Grundlage für ein besseres Verständnis von Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Typ-1-Diabetes oder Hashimoto-Thyreoiditis.
Bedeutung auch für aktuelle Krankheitsbilder
In den vergangenen Jahren rückte das Thema Autoimmunität zunehmend in den Fokus – nicht zuletzt durch neue Forschungsansätze rund um Long Covid. Dabei wird vermutet, dass bei einem Teil der Betroffenen eine fehlerhafte Immunregulation zu anhaltenden Entzündungsprozessen führt. Die nun ausgezeichneten Grundlagen tragen dazu bei, solche Mechanismen besser zu verstehen, auch wenn sie Jahrzehnte vor der Covid-19-Pandemie entstanden sind.
„Ihre Entdeckungen haben die Grundlage für ein neues Forschungsgebiet gelegt und die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden vorangetrieben“, erklärte Marie Wahren-Herlenius vom Karolinska-Institut bei der Preisbekanntgabe.
Drei Forschende, ein gemeinsames Ziel
Der Japaner Shimon Sakaguchi (74) ist Professor an der Universität von Osaka. Die US-Amerikanerin Mary E. Brunkow (64) forscht am Institute for Systems Biology in Seattle. Fred Ramsdell (ebenfalls 64) ist wissenschaftlicher Berater des Biotech-Unternehmens Sonoma Biotherapeutics in San Francisco.
Der Preis ist mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund einer Million Euro) dotiert und wird traditionell am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, in Stockholm überreicht.
Mit dem Medizinpreis beginnt alljährlich die Nobelpreiswoche. Am Dienstag und Mittwoch folgen die Bekanntgaben in den Kategorien Physik und Chemie, am Donnerstag Literatur und am Freitag der Friedensnobelpreis.
(red)