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Wenn Depression Frauensache wird

Frauen sind häufiger von Depressionen betroffen, was auf eine höhere Anzahl geschlechtsspezifischer genetischer Risikovarianten zurückzuführen ist.

08.10.2025 15:11
red04
© Adobe Stock
Frauen leiden etwa doppelt so häufig an depressiven Episoden wie Männer.

Depressionen zählen zu den weltweit häufigsten psychischen Erkrankungen – und sie betreffen Frauen deutlich häufiger als Männer. Doch warum ist das so? Eine neue internationale Studie liefert nun Hinweise darauf, dass genetische Faktoren eine größere Rolle spielen könnten als bisher angenommen – und dass sich diese zwischen den Geschlechtern deutlich unterscheiden.

Frauen doppelt so häufig betroffen

Seit Jahren belegen Statistiken: Frauen entwickeln etwa doppelt so häufig depressive Episoden wie Männer. Lange wurde angenommen, dass psychosoziale Einflüsse – etwa hormonelle Schwankungen, Rollenbilder oder höhere Belastungen durch Care-Arbeit – maßgeblich für dieses Ungleichgewicht verantwortlich seien. Doch ein internationales Forschungsteam des australischen QIMR Berghofer Medical Research Institute hat nun eine umfassende genetische Analyse durchgeführt, die das Bild erweitert. Die Forscher analysierten die genetischen Daten von mehr als 1,2 Millionen Menschen aus weltweit erhobenen Datensätzen. Das Ziel: geschlechtsspezifische Unterschiede in der genetischen Veranlagung für Depressionen herauszufinden.

Mehr genetische Risikovarianten bei Frauen

Die Ergebnisse, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Genetics, zeigen: Frauen weisen deutlich mehr genetische Risikovarianten für Depression auf als Männer. Konkret wurden rund 13.000 genetische Marker identifiziert, die mit Depressionen bei Frauen in Verbindung stehen – bei Männern waren es nur etwa 7.000. Diese Marker betreffen unter anderem Gehirnfunktionen, Hormonregulation und Stoffwechselprozesse. Besonders auffällig: Bei Frauen stehen viele dieser genetischen Merkmale in Zusammenhang mit metabolischen Eigenschaften wie dem Körperfettanteil, dem Blutzuckerspiegel oder dem Energiehaushalt. Dies könnte erklären, warum depressive Symptome bei Frauen oft mit körperlichen Beschwerden wie Müdigkeit, Appetitveränderungen oder Gewichtsschwankungen einhergehen.

Unterschiedliche Symptome

Die Studie legt nahe, dass Depressionen nicht nur unterschiedlich häufig auftreten, sondern sich auch unterschiedlich äußern. Frauen berichten häufiger von typischen Symptomen wie Antriebslosigkeit, Traurigkeit und Erschöpfung, während Männer häufiger mit Reizbarkeit, Aggression oder Suchtverhalten auf die Erkrankung reagieren. Auch das Gehirn scheint unterschiedlich betroffen: Frühere Studien zeigten bereits, dass bei Frauen andere Hirnareale bei depressiven Episoden aktiviert sind als bei Männern. Die neuen genetischen Daten untermauern nun, dass diese Unterschiede auch biologisch verankert sein könnten.

Zusammenspiel aus Genetik und Umwelt

Trotz der genetischen Befunde warnen die Forschenden jedoch vor einer einseitigen Interpretation. Depressionen entstehen nie nur durch Gene. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel von genetischen, hormonellen, sozialen und psychologischen Faktoren. Die genetische Disposition erhöht lediglich das Risiko – ob eine Depression tatsächlich ausbricht, hängt stark von äußeren Einflüssen wie Stress, Traumata oder sozialen Belastungen ab. Zudem sind die genetischen Daten bislang vor allem auf Menschen europäischer Abstammung begrenzt, was die Übertragbarkeit auf andere Bevölkerungsgruppen einschränkt.

Neue Wege für Diagnose und Therapie?

Dennoch bieten die Erkenntnisse wichtige Anknüpfungspunkte für die Zukunft. So könnte die personalisierte Medizin stärker auf geschlechtsspezifische Risikoprofile eingehen. Medikamente oder Therapieansätze könnten gezielter auf Frauen oder Männer abgestimmt werden, um bessere Behandlungserfolge zu erzielen. Auch Präventionsstrategien könnten individualisiert werden, etwa durch genetische Früherkennung bei besonders gefährdeten Personen. Die Forscher betonen allerdings, dass es sich um Grundlagenforschung handelt – praktische Anwendungen sind noch Zukunftsmusik.

Der Mensch im Mittelpunkt

So deutlich die genetischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auch sein mögen – entscheidend für die Behandlung und Prävention bleibt der ganzheitliche Blick auf den Menschen. Depression ist eine vielschichtige Erkrankung, bei der soziale, psychologische und biologische Faktoren Hand in Hand gehen. Die neuen Studienergebnisse eröffnen dabei keine einfachen Antworten, aber sie helfen, die Krankheit besser zu verstehen – und langfristig Wege zu finden, sie wirksamer zu bekämpfen.

(red)

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