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Der CO₂-Fußabdruck des Ukraine-Krieges

Der Krieg in der Ukraine ist nicht nur eine sicherheitspolitische, sondern mit 237 Millionen Tonnen CO₂-Ausstößen auch eine tiefgreifende Umweltkrise.

09.10.2025 15:26
red04
© Adobe Stock
Die Klimabilanz des Ukraine-Krieges ist so hoch wie die jährlichen Emissionen von Österreich, Tschechien, Ungarn und der Slowakei zusammen.

Neben dem sichtbaren Leid, der Zerstörung von Städten und der humanitären Notlage hat der Krieg in der Ukraine eine weitere, weniger beachtete Dimension: seine massiven Auswirkungen auf das Klima. Seit dem Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 wurden laut aktuellen Messungen 237 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente freigesetzt – eine Zahl, die verdeutlicht, dass militärische Konflikte längst auch Umweltkrisen sind. Eine umfassende Grundlage für diese Einschätzung liefert ein aktueller Report der Initiative on GHG Accounting of War (IGGAW), der erstmals systematisch versucht, die klimatischen Auswirkungen des Ukraine-Krieges wissenschaftlich zu erfassen und zu quantifizieren.

Krieg als Treiber von Emissionen

Die Klimabilanz des Ukraine-Krieges ist so hoch wie die jährlichen Emissionen mehrerer europäischer Länder zusammen – etwa Österreich, Tschechien, Ungarn und die Slowakei. Der größte Anteil dieser Emissionen stammt direkt aus militärischen Aktivitäten: Panzer, Flugzeuge, Artillerie und logistische Versorgung verbrauchen riesige Mengen Treibstoff. Allein dieser Bereich macht nach Analysen etwa ein Drittel der Kriegsemissionen aus. Ein weiterer großer Faktor ist die Zerstörung von Infrastruktur. Wenn Städte zerbombt, Brücken gesprengt und Gebäude in Trümmer gelegt werden, bedeutet das nicht nur unmittelbare Umweltbelastung – auch der spätere Wiederaufbau wird enorme Mengen an Beton, Stahl und anderen energieintensiven Materialien erfordern. Diese sogenannten „zukünftigen Emissionen“ wurden in die Gesamtbilanz bereits mit einbezogen.

Flächenbrände und zerstörte Ökosysteme

Besonders stark ins Gewicht fallen auch Wald- und Flächenbrände, die durch Gefechte oder Explosionen ausgelöst wurden. Im dritten Kriegsjahr wurden doppelt so viele Waldflächen zerstört wie im ersten Jahr. Diese Verluste treffen die Ukraine besonders hart – nicht nur, weil sie Kohlenstoffspeicher vernichten, sondern weil viele dieser Gebiete langfristig geschädigt bleiben und ihre Funktion als „CO₂-Senke“ verlieren. In der Summe ergibt sich ein verheerendes Bild: Der Krieg zerstört nicht nur Menschenleben und Infrastruktur, sondern auch wertvolle Ökosysteme – Wälder, Ackerflächen, Wasserläufe – mit Folgen für Jahrzehnte.

Flugverkehr und globale Effekte

Auch indirekt trägt der Krieg zur globalen Klimakrise bei. Geschlossene Lufträume über der Ukraine und Russland haben Flugrouten verlängert – das betrifft nicht nur europäische Airlines, sondern den weltweiten Luftverkehr. Umwege von Hunderten Kilometern führen zu zusätzlichem Kerosinverbrauch und höheren CO₂-Ausstößen. Auch die logistischen Herausforderungen durch zerstörte Verkehrswege, veränderte Handelsrouten und militärisch gesperrte Zonen führen zu weniger effizienten Transportketten – mit klimaschädlichen Konsequenzen.

Millionen Menschen auf der Flucht

Ein oft übersehener Aspekt: Die Flucht von Millionen Menschen verursacht ebenfalls Emissionen. Dabei geht es nicht nur um den Transport selbst, sondern auch um die Versorgung und Unterbringung in anderen Ländern. Zwar ist dieser Bereich schwer zu beziffern, aber auch hier handelt es sich um einen indirekten, aber realen Beitrag zur Klimabilanz des Krieges.

Unsicherheiten in der Klimabilanz

Trotz aller Bemühungen, die Emissionen möglichst genau zu erfassen, bleiben viele Unsicherheiten. Daten zu militärischem Treibstoffverbrauch sind meist geheim, viele Umweltschäden in Kriegsgebieten können nicht sofort dokumentiert werden. Die Schätzungen beruhen daher teils auf Modellen, Erfahrungswerten und Plausibilitätsannahmen. Auch die Bilanzierung von Emissionen aus dem Wiederaufbau ist spekulativ – denn wie stark der CO₂-Ausstoß am Ende wirklich ausfällt, hängt entscheidend davon ab, wie klimafreundlich oder traditionell die Ukraine ihre zerstörte Infrastruktur wieder aufbaut.

Krieg als blinder Fleck in der Klimadebatte

Ein weiterer Aspekt: Die Emissionen von Armeen und kriegsbedingten Aktivitäten sind in internationalen Klimaabkommen bislang weitgehend ausgenommen. Sie werden oft nicht gemeldet und in offiziellen Statistiken nicht erfasst. Der Ukraine-Krieg zeigt jedoch, dass genau hier eine große Lücke klafft – mit potenziell dramatischen Folgen. Die über 230 Millionen Tonnen CO₂, die bisher durch den Krieg verursacht wurden, werden die globale Erderwärmung nicht alleine antreiben – aber sie sind ein Symbol dafür, wie eng Sicherheitspolitik, Umweltschutz und Klimafragen miteinander verwoben sind.

(red)

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