Kunstschnee um jeden Preis im Skitourismus
Die technische Beschneiung hilft dem Skitourismus, greift jedoch tief ins Ökosystem ein.
Künstlicher Schnee ist längst kein Ausnahmefall mehr. In Österreich verfügen laut Umweltbundesamt rund 70 Prozent aller Pisten über Beschneiungsanlagen. Mit Wasser, Luft und hohem Druck wird Schnee erzeugt, der unabhängig vom Wetter für weiße Hänge sorgt.
Die Grundlagen sind simpel, die Folgen komplex: Für einen Hektar Piste werden im Schnitt 1.000 Kubikmeter Wasser benötigt – Wasser, das Bächen und Grundwasser entzogen wird, um in Hochlagen als Eis niederzugehen. Was als technisches Meisterwerk gilt, ist in ökologischer Hinsicht ein massiver Eingriff in natürliche Systeme.
Wasserverbrauch und Landschaftseingriffe
Die für die Beschneiung nötige Infrastruktur – Speicherteiche, Pumpwerke, Rohrleitungen – verändert alpine Landschaften tiefgreifend. Speicherbecken entstehen häufig oberhalb der Baumgrenze, wo sensible Ökosysteme bestehen.
Studien des Alpenvereins zeigen, dass solche Anlagen das Mikroklima beeinflussen, den Wasserhaushalt ganzer Hänge verändern und sogar die Stabilität von Permafrostböden gefährden können. In niederschlagsarmen Jahren stehen Skigebiete zudem in Konkurrenz zur Landwirtschaft, wenn Wasserreserven knapp werden.
Energiebedarf und Klimawirkung
Beschneiungsanlagen sind energiehungrig. Je nach Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Technik liegt der Stromverbrauch bei 15.000 bis 20.000 Kilowattstunden pro Hektar und Saison. Viele Betreiber setzen auf Photovoltaik oder Ökostromzertifikate, doch der reale Energiebedarf bleibt.
Ein paradoxes System entsteht: Je wärmer die Winter, desto mehr Energie ist nötig, um sie künstlich aufrechtzuerhalten – ein Kreislauf, der das Grundproblem verschärft, statt es zu lösen.
Folgen für Vegetation und Biodiversität
Kunstschnee ist dichter und wasserreicher als Naturschnee. Dadurch schmilzt er langsamer und belastet die darunterliegende Vegetation. Pflanzen beginnen später zu wachsen, Feuchtigkeit staut sich länger im Boden, Mikroorganismen werden verdrängt.
Fachleute beobachten, dass die Artenvielfalt auf dauerhaft beschneiten Pisten deutlich abnimmt. Besonders betroffen sind alpine Kräuter- und Gräserarten, die sich nur langsam regenerieren können. Auch Tierarten, die auf natürliche Schneeschichten angewiesen sind, verlieren ihren Lebensraum.
Beispiel: Kitzbühel
Wie weit die technische Entwicklung inzwischen fortgeschritten ist, zeigt das Beispiel Kitzbühel. Dort wird im Winter 2025/26 erstmals eine offizielle Schneegarantie für ein Nicht-Gletscherskigebiet Österreichs angeboten – vom 21. Dezember 2025 bis 14. März 2026.
Zum Einsatz kommen 1.260 Schneeerzeuger, 43 GPS-gesteuerte Pistengeräte und zehn Speicherseen. Eine neue Kühlturmanlage an den Seidlalmseen soll den Energieverbrauch senken, ein weiterer Speichersee mit 85.000 Kubikmetern Fassungsvermögen ist im Bau.
Künstlicher Schnee
Der Alpenraum wird immer stärker technisiert, um den Winter zu retten, den das Klima schrittweise verschwinden lässt. Die Beschneiung gilt vielen als Garant für touristische Stabilität. Doch sie schafft neue Abhängigkeiten – von Energie, Infrastruktur und Wasser. Wenn Skigebiete künftig immer weiter aufrüsten, steht die Frage im Raum, wie viel Natur ein künstlicher Winter noch verträgt.
(red)