COP30 Brasilien: Pflanzerei um Finanzierung
Ein Beitrag aus Österreich für ein Aufforstungsprojekt in Brasilien wirft Fragen zu Interessenlagen auf.
In Belém im brasilianischen Amazonasgebiet besuchte Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) eine österreichisch mitfinanzierte Baumschule nahe Pará, unmittelbar vor seiner COP30-Rede. Das Projekt soll Menschen unterstützen, die durch Staudammprojekte ihre Lebensgrundlage verloren haben.
Bisher wurden mehr als 70.000 Setzlinge gezogen und gemeinsam mit mehreren hundert Familien in der Region ausgebracht. Die Anlage beschäftigt zudem vorwiegend Frauen, vermittelt Wissen an Schulen und arbeitet ohne Pestizide.
Auf österreichischer Seite wurden rund 990.000 Euro bis März 2026 zugesagt – ob es danach weitergeht, ist offen. Aus dem Ministerium heißt es, die Zukunft hänge von den „budgetären Möglichkeiten“ ab. NGOs kritisieren hingegen, dass internationale Zusagen stocken und zugesagte Mittel nicht immer vollständig abgerufen werden.
Gastgeberrolle Brasiliens
Brasilien nutzt die COP30 strategisch: Der Austragungsort Belém, mitten im Amazonas, soll Symbolkraft für Waldschutz und internationale Zusammenarbeit haben. Gleichzeitig steht das Land wegen Waldverlust, Rohstoffabbau und großer Infrastrukturprojekte unter Druck. Indigene Gruppen protestieren seit Beginn des Gipfels gegen die Umweltpolitik ihrer eigenen Regierung.
Vor diesem Hintergrund wirkt ein einzelnes Aufforstungsprojekt zwar positiv, bleibt aber im Verhältnis zur Größe der ökologischen Herausforderungen begrenzt. Denn solange strukturelle Faktoren den Waldverlust weiter antreiben, ist die Wirkung kleiner Baumschulen naturgemäß eingeschränkt.
Symbol oder Substanz?
Für Österreich stellt sich die Frage, ob Projekte wie dieses langfristig strukturelle Wirkung entfalten oder vor allem internationale Sichtbarkeit schaffen. Die Baumschule leistet lokal zweifellos wertvolle Arbeit, doch im größeren Kontext der Klimafinanzierung bleibt sie ein Baustein unter vielen.
Klimafinanzierung ist eines der zentralen Themen der COP30 – gleichzeitig liegen sowohl Österreich als auch die EU bei globalen Verpflichtungen hinter ihren eigenen Zielen. Aus Sicht von NGOs entsteht ein widersprüchliches Bild: Minister Totschnig präsentiere sich vor Ort als Unterstützer betroffener Gemeinschaften, während weitere Förderzusagen unkonkret bleiben. Die Erwartungshaltung an verlässliche internationale Beiträge steigt entsprechend.
Indigene Proteste
In Belém kam es mehrfach zu Demonstrationen: Indigene Vertreter fordern Schutz ihrer Gebiete, ein Ende illegaler Rodungen und eine Abkehr von fossilen Entwicklungsmodellen. Diese Stimmen machen deutlich, dass Aufforstung allein nicht reicht, wenn gleichzeitig großflächige Waldflächen verschwinden oder wirtschaftlichen Interessen geopfert werden.
Österreichs Beitrag
Die Frage nach der Substanz rückt damit stärker in den Mittelpunkt: Wie viel trägt Österreich tatsächlich zur Stabilisierung des Ökosystems bei – und wie viel ist symbolische Präsenz am Gastgeberort? Der Maßstab liegt nicht bei Besuchsterminen, sondern bei verlässlicher Finanzierung und langfristiger Planung.
Eine ähnlich hohe Förderung wie bisher wäre nötig, um das Projekt über 2026 hinaus fortzuführen. Ohne zusätzliche Mittel könnten weniger Familien an der Wiederbewaldung beteiligt werden – und die lokale Wirkung würde spürbar sinken.
Gleichzeitig steht das Verhältnis in keinem realistischen Verhältnis zu den Dimensionen des Problems: Der Amazonas verliert jährlich zwischen 5.000 und 13.000 Quadratkilometern Waldfläche. Das entspricht hunderten Millionen gefällten Bäumen – ein ökologischer Verlust, gegen den keine geförderte Baumschule ankämpfen kann.
(APA/red)
