Der Wald mehr braucht als Jagdmanagement
Der Abschuss gefräßiger Wildtiere schützt den Wald nur, wenn ökologische Ziele über Jagdprivilegien stehen.
Der Klimawandel verändert Österreichs Wälder grundlegend. Die Bundesforste betreuen rund 510.000 Hektar Waldfläche und tragen eine zentrale Verantwortung, die sie in ihrer aktuellen Strategie betonen: Umbau hin zu widerstandsfähigen Mischbeständen, mehr Bewirtschaftung, stabile Naturverjüngung. Minister Norbert Totschnig nennt das „professionelle Jagdmanagement“ eine Voraussetzung dafür.
Dass Jagd hierzulande stark in traditionellen Milieus und privatwirtschaftlichen Interessen verankert ist, spielt in diesem Vorstoß keine Rolle. Auch nicht die Ausgestaltung vieler Wälder als wildreiche Jagdarenen, die das Problem hausgemacht erscheinen lassen. Es regiert einmal mehr das Bild einer besorgten Jägergemeinschaft, die als einzige unseren Wald vor gefräßigen Schalentieren schützen können.
Das schädigende Wild
Die ÖBf verweisen auf ihren neuen Beirat „Wald der Zukunft“, der wissenschaftlich begleitet, wie Wälder widerstandsfähiger werden sollen. Vorstand Andreas Gruber betont, dass Waldumbau „nur Hand in Hand mit einer verantwortungsvollen Jagd“ gelinge. Die Problembeschreibung ist eindeutig: In vielen Regionen verhindern hohe Wildbestände, dass Tanne, Lärche und zahlreiche Laubhölzer überhaupt zu nennenswerter Höhe heranwachsen. Verbiss, Schälungen und absterbende Jungpflanzen bremsen die Entwicklung gerade jener Arten, die den Wald klimatoleranter machen sollen.
Die wachsende Population
Dazu kommen europaweite Trends, wie BOKU-Experte Florian Kunz erinnert: Schalenwildbestände – besonders Rotwild – sind seit Jahrzehnten gestiegen, beim Rehwild in Österreich besonders stark. Diese Entwicklung sei kein lokaler Zufall, sondern Teil eines größeren Dynamikspektrums, das menschliche Eingriffe ebenso umfasst wie klimatische Veränderungen. Moderne Wildtierpolitik müsse deshalb wissenschaftlich gesteuert sein und auch die Jagd einbeziehen.
Jagdparadies im Schutz des Waldes
Was in den offiziellen Stellungnahmen weniger vorkommt: Fast die gesamte Bundesforste-Fläche von 850.000 Hektar ist jagdlich genutzt, rund 1.700 Reviere sind an Kundinnen und Kunden vergeben. Jagd findet somit nicht primär als ökologischer Auftrag statt, sondern als Mischung aus Bewirtschaftung und exklusiver Freizeitpraxis.
Die ÖBf bemühen sich mit einem internen Leitfaden um professionellere Standards, von tierschutzgerechter Umsetzung bis zu kontinuierlicher Schulung des Personals. Die strukturelle Zweisamkeit bleibt dennoch: Die ökologische Notwendigkeit, Wildbestände anzupassen, trifft auf jagdliche Traditionen, die historisch auf Hege, Trophäen und soziale Privilegien ausgerichtet sind.
Der Wolf im Mensch
Das BMLUK verweist zusätzlich auf Monitoring, Wildschadensberichte, Waldfonds-Förderungen und den Forst-&-Jagd-Dialog. Mehrere Bundesländer haben ihre Jagdgesetze modernisiert. Doch solange die Kernfrage ungeklärt bleibt – ob Jagd als Werkzeug des Naturschutzes oder als gut abgesichertes Freizeitmodell verstanden wird – ist der eigentliche Zweck jeder Reform zu hinterfragen.
Ein Wald der Zukunft entsteht nur dort, wo ökologische Belastungsgrenzen Vorrang vor jagdlichen Gewohnheiten bekommen und natürliche Regulatoren wie der Wolf als Teil des Systems akzeptiert werden.
(PA/red)