Atommüllfässer rosten still am Meeresgrund

Abgelagerter Atommüll im Atlantik zeigt erste Schäden – noch ist keine Umweltvergiftung nachgewiesen worden.

11.07.2025 14:33
Redaktion
© Adobe

Seit Jahrzehnten ruhen Tausende Atommüllfässer auf dem Grund des Atlantiks – viele davon vergessen, manche verdrängt. Nun hat ein internationales Forschungsteam erste Erkenntnisse über ihren Zustand vorgelegt: Einige der Behälter sind verformt, aufgerissen oder zeigen Materialaustritt, vermutlich von Bitumen. Von erhöhter Strahlung oder gar Umweltvergiftung ist bislang allerdings nichts zu messen.

Keine messbare Bedrohung

Im Rahmen des französischen Projekts NODSSUM untersuchten 21 Forscherinnen und Forscher über vier Wochen hinweg ein Gebiet von 163 Quadratkilometern im Westeuropäischen Becken. Sie orteten rund 3.350 Fässer, setzten modernste Tauchroboter ein und entnahmen Wasser-, Boden- und Fischproben. Erste Sichtungen zeigen: Manche Fässer sind intakt, andere rosten vor sich hin, wieder andere sind bereits beschädigt. Das bedeutet aber nicht automatisch Gefahr – zumindest nicht im Moment. Laut dem verantwortlichen Institut CNRS bewegen sich die Strahlungswerte bislang auf dem Niveau des natürlichen Hintergrundrauschens. Auch im Sediment wurden bisher keine akuten Abweichungen festgestellt.

Die Proben werden nun in Labors untersucht – Ergebnisse könnten Monate auf sich warten lassen. Die entscheidende Frage bleibt dabei offen: Gibt es bisher konkrete Hinweise auf eine Umweltvergiftung im Umfeld der beschädigten Fässer? Die Antwort lautet bisher: Nein. Zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Fall dokumentiert, in dem austretende Radioaktivität aus einem erodierten Behälter eine nachweisbare Schädigung der Meeresumwelt verursacht hätte.

Die Gefahr ist unsichtbar

Doch Entwarnung ist das keine. Vielmehr zeigt sich hier das grundsätzliche Dilemma historischer Meeresentsorgung: Jahrzehntelang wurde Atommüll in die Tiefsee gebracht – in der Hoffnung, dass Druck und Wasserströmung die radioaktiven Altlasten quasi „vergessen“ machen. Die Fässer aber wurden – wie der Projektleiter Patrick Chardon offen einräumt – nicht dafür gebaut, radioaktive Stoffe dauerhaft einzuschließen. Man kalkulierte mit Jahrhunderten – nicht mit Ewigkeiten.

Was die Forschenden heute vorfinden, ist ein Abbild vergangener Sorglosigkeit – und ein Beweis dafür, wie langwierig und komplex die Bewertung von Tiefsee-Altlasten ist. Die Rostschäden sind sichtbar, die Gefährdung jedoch bleibt diffus: Eine tickende Zeitbombe, bei der der Zünder noch nicht gefunden wurde.

(ORF/red)

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