Belgien macht Atomausstieg rückgängig

In einer Welt, in der Stromnetze wanken und Gaspreise steigen, verändert sich das politische Klima.

16.05.2025 12:41
Redaktion
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Atomkraftwerk in Tihange, Belgien

Während viele Länder über Windräder und Wasserstoff reden, setzt Belgien wieder auf ein altes – und lange gefürchtetes – Thema: Atomkraft. Das belgische Parlament hat am Donnerstag mit klarer Mehrheit beschlossen, den gesetzlich verankerten Atomausstieg rückgängig zu machen. 102 Abgeordnete stimmten dafür, nur acht dagegen, 31 enthielten sich. Ein starkes Signal – und ein Kurswechsel, der auch international Aufmerksamkeit erregt.

Energieangst

Der ursprüngliche Atomausstieg war bereits seit 2003 Gesetz. Doch in einer Welt, in der Stromnetze wanken, Gaspreise schwanken und geopolitische Risiken zunehmen, ändert sich das politische Klima. Belgien verschiebt den Abschied von der Atomkraft um mindestens zehn Jahre, konkret bis 2035 – zunächst für jeweils einen Reaktor in Doel und Tihange. Gleichzeitig denkt die Regierung unter Premier Bart De Wever über neue Reaktoren nach.

Der Grund: Die Angst vor Energieengpässen wiegt mittlerweile schwerer als alte Sicherheitsbedenken. Und die Frage nach Versorgungssicherheit stellt sich immer häufiger mit existenzieller Schärfe – auch für Länder wie Österreich, das stark von Stromimporten abhängig ist.

Kritik aus Deutschland

Besonders brisant ist die Nähe der belgischen Meiler zu deutschen Städten. Das Kraftwerk Tihange liegt nur 60 Kilometer von Aachen entfernt. Immer wieder gab es Berichte über Materialmängel, Haarrisse im Beton oder Alterungserscheinungen. Trotzdem bleibt der Reaktor am Netz – und mit ihm ein Unsicherheitsfaktor mitten in Europa. Die Bundesregierung und Kommunen wie Aachen hatten bereits in der Vergangenheit die Stilllegung gefordert.

Atomkraft als Rettungsanker?

Für viele war Atomkraft das Schreckgespenst der Energiedebatte – heute rückt sie für manche wieder ins Licht der Hoffnung. Denn eines ist klar: Ohne stabile Grundversorgung kann keine Gesellschaft überleben. Und während Blackout-Szenarien realistischer werden, rückt die nüchterne Frage in den Vordergrund: Was tun, wenn Wind und Sonne nicht reichen?

Der belgische Weg zeigt: In Krisenzeiten wird Energiepolitik neu gedacht – nicht aus Überzeugung, sondern aus Notwendigkeit. Wer den Blackout vermeiden will, muss den Strom irgendwo herbekommen. Auch wenn er aus Reaktoren stammt, die schon fast abgeschrieben waren.

(APA/red)

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