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Das Geschäft mit dem Tod – ein schlechter Witz

Dem Tabuthema mit Humor zu begegnen hat Tradition bei uns, doch mittlerweile dominiert blanker Zynismus.

31.10.2025 10:36
Redaktion
© Adobe
Grabmonument am Wiener Zentralfriedhof

Österreich hat es zur Kunst erhoben, den Tod mit Schmäh zu umarmen. Doch während früher Galgenhumor half, Angst und Schmerz zu bewältigen, ist heute oft nur noch Zynismus übrig. Manche Bestattungsmethoden sind so irrwitzig, dass einem das Lachen vergeht. Ganz zu schweigen vom Respekt gegenüber vielen Glaubensbekenntnissen, die den Übertritt spirituell begegnen und nicht als Körperentsorgung der kreativen Art ansehen.

Knapp 90.000 Menschen sterben jedes Jahr in Österreich – und werden dabei zum Teil eines Geschäfts, das rund 285 Millionen Euro jährlich umsetzt. 503 Bestatter und knapp 1.600 Beschäftigte kümmern sich um Beratung, Abholung, Sarg, Rede und Schmaus. Der Tod ist damit kein stilles Ereignis mehr, sondern eine kalkulierte Dienstleistung – mit Preislisten, Zusatzpaketen und Rabattangeboten.

Wenn das Ende zur Option wird

Würde, Ritual, Andacht – all das wirkt heute wie ein Relikt. Stattdessen locken „Naturbestattungen“, „See-Urnen“ oder gar Diamanten aus Asche. Wer will, kann sich in der Donau versenken lassen oder in Linz als „Stein der Ewigkeit“ enden. Der Tod hat Variantenreichtum entwickelt, den selbst Modeketten neidisch beobachten könnten. Es ist ein Markt mit allem, was dazugehört: Produktinnovation, Preiskampf und Zielgruppenanalyse.

Während die klassische Erdbestattung 7.000 bis 9.000 Euro kostet, gibt es die Feuerbestattung schon ab 4.000 Euro – inklusive Urne und meist ohne Trauerfeier. Manche Anbieter versprechen „persönliche letzte Reisen“ zu Flüssen oder in ferne Meere. Andere verwandeln die Asche in Saphire und Rubine, zu Preisen, die eher an Juweliere als an Pietät erinnern.

Geschäft mit dem Verschwinden

Bundesinnungsmeister Martin Dobretsberger beschreibt nüchtern, dass viele kleine Bestatter aufgeben müssen. Der Aufwand – von der Erreichbarkeit bis zum Seuchenschutz – rechne sich kaum mehr. Der Tod hat sich zentralisiert, auch das Sterben folgt nun Effizienzregeln. Rund zwei Drittel der Betriebe in Oberösterreich arbeiten bereits nur noch nebenberuflich.

Dass Angehörige selbst im Tod auf Preisvergleiche stoßen, ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Zwischen Rabattangeboten und Komplettpaketen schwankt der letzte Weg heute wie ein Pauschalurlaub: Economy oder Premium – je nach Geldbörse.

Die Angst, die niemand zugibt

Dabei verdrängt die Mehrheit das Thema lieber. Laut einer Helvetia/Ipsos-Studie sprechen zwei Drittel der Österreicher kaum oder nie über den Tod. Nur 32 Prozent setzen sich aktiv damit auseinander, in Wien gar nur 23 Prozent. Frauen fürchten sich doppelt so häufig wie Männer, und selbst in der jungen Generation fürchtet sich jede:r Zweite.

Fast 60 Prozent wünschen sich dennoch mehr Offenheit – also genau das, was gesellschaftlich kaum stattfindet. Während früher der Schmäh half, mit der Angst zu leben, herrscht heute ein Schweigen, das zwischen Unsicherheit und Aberglaube pendelt.

Sterben im Wandel

Die jüngeren Generationen wollen sich anders verabschieden als ihre Eltern. Schlicht, naturverbunden, ohne Blumengesteck und Pfarrer. Doch auch das hat seinen Preis. Zwischen 2.500 und 5.000 Euro kostet der Minimalismus des modernen Abschieds. Nur etwa die Hälfte der Bevölkerung hat dafür finanziell vorgesorgt – viele glauben, das Konto reiche aus, übersehen aber, dass es im Todesfall gesperrt ist.

So bleibt am Ende ein Land, das gern Witze über das Sterben macht, aber kaum fähig ist, die Bedeutung zu begreifen. Es versteht nicht, dass die Vorbereitung auf den Tod vielleicht die letzte Chance im Leben ist, den Weg zu Gott zu finden. Zwischen Edelstein-Asche, Rabatt-Sarg und Donaubestattung verschwimmt, was einst heilig war. Österreichs Verhältnis zum Tod gleicht einem schlechten Witz – man lacht, damit man nicht spürt, wie ernst er eigentlich ist.

(APA/red)

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