E-Mobilität setzt Mercedes unter Druck

Die europäische Automobilbranche verzeichnet Fortschritte beim Ausbau der Elektromobilität - mit Mercedes-Benz als Ausnahme.

08.09.2025 10:19
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Mercedes-Benz droht laut einer Analyse aktuell als einziger europäischer Autobauer die EU-Emissionsziele zu verfehlen.

In Europas Automobilbranche herrscht vorsichtiger Optimismus: Dank des anhaltenden E-Auto-Booms liegen viele Hersteller auf Kurs, die strengen EU-Vorgaben zur Reduktion von CO₂-Emissionen einzuhalten. Ein Bericht der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) zeigt, dass die meisten großen Autobauer – darunter VW, BMW und Stellantis – gute Fortschritte machen. Besonders der wachsende Marktanteil batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) trägt dazu bei. Für das Jahr 2025 erwartet T&E einen BEV-Anteil von 18 Prozent in der EU, 2027 könnten es bereits über 30 Prozent sein. Sinkende Batteriepreise, ein breiteres Modellangebot und der Ausbau der Ladeinfrastruktur machen E-Autos für Verbraucher zunehmend attraktiver.

Mercedes droht Anschluss zu verlieren

Einziger großer Ausreißer in der Bilanz: Mercedes-Benz. Laut T&E verfehlt der Premiumhersteller die aktuellen CO₂-Ziele der EU – und dürfte es auch in den kommenden Jahren schwer haben, diese zu erreichen. Besonders kritisch: Während andere Hersteller den Verkauf von Verbrennern zurückfahren, setzt Mercedes weiter stark auf margenstarke Modelle mit hohem Verbrauch. Um Strafzahlungen zu vermeiden, könnte der Konzern gezwungen sein, sich sogenannten Emissionspools anzuschließen – also CO₂-Zertifikate von emissionsärmeren Herstellern wie Volvo oder Polestar zuzukaufen. Das wäre nicht nur ein finanzieller Rückschritt, sondern auch ein Imageschaden für eine Marke, die sich als zukunftsorientiert positionieren will.

Mehr Spielraum

Entlastung kommt jedoch von regulatorischer Seite: Die EU hat beschlossen, die Emissionsziele nicht mehr jährlich, sondern über einen Dreijahreszeitraum (2025–2027) zu bewerten. Dadurch haben Hersteller mehr Flexibilität, Rückstände in einem Jahr durch Fortschritte in einem anderen auszugleichen. Für viele Autobauer ist das ein willkommenes Zeitpolster – für Mercedes aber könnte es knapp werden.

Industrie kritisiert Ziel als unrealistisch

Der Blick in die Zukunft bleibt angespannt. Während die kurzfristigen Ziele greifbar erscheinen, regt sich in der Branche Widerstand gegen das langfristige Ziel der EU: ab 2035 sollen nur noch emissionsfreie Neuwagen verkauft werden dürfen. Aus Sicht vieler Hersteller ist das kaum zu schaffen. In einem offenen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordern unter anderem BMW und Mercedes eine Lockerung der Vorgaben. Die Argumente: fehlende Infrastruktur, globale Wettbewerbsnachteile – insbesondere gegenüber China – und die Unsicherheit bei der Kundennachfrage. Kritiker dieser Position warnen jedoch, dass ein Rückschritt bei den Klimazielen Europas Innovationskraft gefährden könnte.

Entscheidung naht

Am 12. September steht ein entscheidendes Treffen zwischen Branchenvertretern und der EU-Kommission an. Thema: die Zukunft der europäischen Klimapolitik im Verkehrssektor. Dabei dürfte auch zur Sprache kommen, wie verbindlich das 2035-Ziel bleibt – und welchen Spielraum die Industrie künftig bekommt. Für ein klimaneutrales Europa reicht es nicht, wenn Emissionsziele nur auf dem Papier eingehalten werden. Nachhaltigkeit in der Mobilität bedeutet, nicht nur auf E-Autos zu setzen, sondern auch Produktion, Lieferketten und Energiequellen konsequent umzudenken. Gerade Premiumhersteller wie Mercedes-Benz stehen in der Verantwortung, Vorreiter zu sein – nicht Nachzügler. Denn wer ernsthaft an einer ökologischen Verkehrswende mitwirken will, muss heute die Weichen dafür stellen.

(red)

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