EU plant Abgabe auf ungesunde Lebensmittel
Die EU-Kommission prüft eine Mikroabgabe auf stark verarbeitete Produkte – die vorgelegten Pläne sind vage.
Die Europäische Kommission will Mitte Dezember ein Paket präsentieren, das eine Abgabe auf stark verarbeitete Lebensmittel vorsieht – Produkte mit besonders hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt. Auch Alkopops sollen darunterfallen. Das Ziel: Verbraucher zu gesünderen Entscheidungen bewegen und Produzenten motivieren, Rezepturen zu überarbeiten. Die Einnahmen sollen zweckgebunden in Gesundheitsprogramme fließen.
Die Begründung ist drastisch: 1,7 Millionen Menschen sterben in der EU jedes Jahr an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ein hoher Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel gilt als belastender Faktor – ebenso wie Übergewicht, das in Europa weiter steigt. Laut Kommission liegen die jährlichen wirtschaftlichen Kosten bei 280 Milliarden Euro.
Was Großbritannien bereits ausprobiert hat
Ein Blick nach Großbritannien zeigt, in welche Richtung die EU denkt. Die „Soft Drinks Industry Levy“, also die Zuckersteuer, setzte Hersteller unter Reformulierungsdruck – viele Getränke enthalten heute deutlich weniger Zucker. Zudem wird in London eine weitergehende Steuer auf stark verarbeitete Lebensmittel diskutiert, bei der auch Salz- und Fettgehalte berücksichtigt würden. Genau diese Logik greift der EU-Entwurf auf: Je ungesünder die Zusammensetzung, desto höher die Abgabe.
Ob ein solches Modell funktioniert, hängt aber davon ab, wie klar „stark verarbeitet“ definiert wird – ein Streitpunkt, der in UK bis heute anhält.
Welche Produkte betroffen sein könnten
Die bisher genannten Kategorien lassen sich leicht erweitern. Unter eine Abgabe könnten nach EU-Logik fallen:
- Zuckerhaltige Softdrinks und Energydrinks
- Snacks wie Chips, Salzgebäck, gesüßte Knabbereien
- Süßwaren, Schokolade, Bonbons
- Frühstückscerealien mit hohem Zuckeranteil
- Fertiggerichte und Tiefkühlware mit hohem Fett- oder Salzgehalt
- Fertigsoßen, Dressings, Marinaden
- Aromatisierte Milch- und Dessertprodukte
- Alkoholische Mixgetränke („Alkopops“)
Viele dieser Produkte gelten aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht nur als kalorienreich, sondern auch als stark „ultra-verarbeitet“ – also industriell formuliert, mit Zusatzstoffen und Emulgatoren, die selbst Gegenstand gesundheitlicher Debatten sind.
Gesundheitliche Risiken
Die Verknüpfung zwischen verarbeiteten Produkten und Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist gut dokumentiert. Entscheidend ist nicht nur der hohe Energiegehalt, sondern auch die Kombination aus Zucker, Salz, Fetten, Geschmacksverstärkern und geringem Sättigungswert. Ultra-verarbeitete Lebensmittel fördern schnelles Essen, ständige Verfügbarkeit und eine hohe Kalorienaufnahme – selbst dann, wenn der Konsument nicht bewusst „schlecht“ isst.
Übergewicht wiederum ist einer der stärksten Risikofaktoren für Herzkrankheiten – jener Kategorie, die die EU jährlich über 1,7 Millionen Todesopfer zuschreibt. Die geplante Abgabe soll hier ansetzen: weniger ungesunde Produkte, weniger krankheitsbedingte Belastungen.
Gute Absicht, ungewisser Ausgang
Dass die EU-Kommission einen solchen Plan präsentiert, kommt gerade noch zur rechten Zeit. Doch gleichzeitig zeigt der Begriff „Mikroabgabe“ den Konsens, den man bereit ist zu finden: Eine Cent-Abgabe auf Produkte, die nachweislich zum größten Krankheitskomplex Europas beitragen, wirkt klein im Verhältnis zur Problemlage.
Hinzu kommt: Jede EU-weite Steuer erfordert eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten – und bei Maßnahmen, die Lebensmittelindustrie und Handel betreffen, ist Widerstand programmiert. Länder mit starkem Produktions- oder Agrarlobby-Einfluss könnten den Vorschlag zur mikroskopischen Größenordnung machen.
Gute Idee, weiter Weg
Die Abgabe ist gesundheitspolitisch sinnvoll, ökonomisch vertretbar und logisch begründet. Doch zwischen Entwurf und Umsetzung liegt ein weiter Weg – inklusive Definitionen, Ausnahmen, Lobby-Schlachten und nationalen Interessen. Die Botschaft der Kommission ist jedenfalls klar und lässt die Institution als Gesundheitswächter gut aussehen: Europa erkennt die Gefahr stark verarbeiteter Lebensmittel an.
Ob daraus mehr wird als eine „Mikroabgabe“, hängt davon ab, wie ernst die Mitgliedstaaten dieses lebensbedrohliche Problem tatsächlich nehmen.
(PA/red)