EU will Lieferketten-Richtlinie entschärfen
Die Lockerung könnte die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen wieder deutlich steigern.

Die Europäische Kommission plant eine erhebliche Abschwächung der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), um Bürokratie abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken. Laut einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Entwurf sollen künftig nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von 450 Millionen Euro den Sorgfaltspflichten unterliegen. Ursprünglich sollten bereits Firmen ab 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Umsatz betroffen sein.
Hintergrund: Die im Mai 2024 verabschiedete Lieferkettenrichtlinie zielt darauf ab, große Unternehmen zu verpflichten, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette zu erfüllen. Obwohl kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht direkt unter diese Regelung fallen, sind sie dennoch indirekt betroffen.
Indirekte Auswirkungen auf KMU: Große Unternehmen werden ihre Sorgfaltspflichten an ihre Lieferanten weitergeben, was bedeutet, dass KMU als Teil der Lieferkette entsprechende Anforderungen erfüllen müssen. Dies kann zu erhöhtem Verwaltungsaufwand und zusätzlichen Kosten führen, da sie Nachweise über die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards erbringen müssen. Insbesondere in wirtschaftlich angespannten Zeiten stellt dies eine Herausforderung
Zusätzlich sieht der Vorschlag vor, dass Unternehmen nur noch ihre direkten Geschäftspartner und Tochtergesellschaften einer eingehenden Prüfung unterziehen müssen – weiter vorgelagerte Zulieferer und Unterauftragnehmer blieben weitgehend unbehelligt. Dies würde die Belastung für Unternehmen deutlich reduzieren, gleichzeitig aber auch die Transparenz in globalen Lieferketten verringern.
Erleichterung für Mittelständler?
Für viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Österreich bedeutet die geplante Änderung eine spürbare Entlastung. Die ursprünglich geplanten Berichtspflichten wurden von Wirtschaftstreibenden massiv kritisiert, da sie mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen wären. Besonders Betriebe, die auf internationale Zulieferer angewiesen sind, hätten Schwierigkeiten gehabt, diese lückenlos zu überprüfen.
Die Lockerung könnte daher eine Wettbewerbsfähigkeit steigern, indem Betriebe sich stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, anstatt umfangreiche Berichte zu Nachhaltigkeit und Sozialstandards in der Lieferkette anzufertigen.
Aufweichung von Nachhaltigkeitszielen?
Kritiker sehen jedoch einen Rückschritt in der Verantwortung von Unternehmen. Die ursprüngliche Fassung der Richtlinie sollte dafür sorgen, dass Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und Umweltverstöße in Lieferketten konsequent erfasst und verhindert werden. Mit der geplanten Reduktion auf direkte Geschäftspartner könnten Missstände in globalen Lieferketten weniger konsequent aufgedeckt werden.
Zudem könnten nationale Vorschriften innerhalb der EU auseinanderdriften, wenn Länder wie Deutschland oder Frankreich striktere Regeln beibehalten. Dies könnte zu einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb Europas führen, in der Unternehmen mit strengeren Auflagen gegenüber Betrieben aus Ländern mit lockerer Umsetzung benachteiligt wären.
Warum nach der US-Wahl?
Die EU-Kommission begründet die geplanten Änderungen mit der Notwendigkeit, Bürokratie zu reduzieren und europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb zu stärken. Besonders im Vergleich zu den USA, wo man sich für eine Überregulierung von Umwelt- und Sozialstandards einsetzt, wolle die EU mit einer flexibleren Regelung den Standort Europa attraktiver machen.
Zudem hat die Wirtschaftslage in der EU – mit steigenden Energiekosten und einer schwächelnden Konjunktur – dazu geführt, dass viele Unternehmen bereits unter hoher finanzieller Belastung stehen. Eine Entschärfung der Lieferketten-Richtlinie könnte für manche Branchen daher eine dringend benötigte Entlastung bedeuten.
Erleichterung mit Risiken
Die geplante Lockerung der EU-Lieferkettenrichtlinie bringt österreichischen Mittelständlern und KMU eine deutliche bürokratische Erleichterung. Viele Betriebe dürften aufatmen, weil sie nicht mehr mit umfangreichen Prüf- und Berichtspflichten belastet werden.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die Reduktion auf direkte Geschäftspartner nicht langfristig den ursprünglichen Zweck der Richtlinie untergräbt: Regelungen schaffen. Denn damit werden jede Menge Arbeitsplätze in der EU-Bürokratie generiert und Millionen für Beratungen ausgegeben.
(red)
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