Gefährliche Verzögerungen bei Krebsdiagnosen
In Österreich entscheidet oft nicht die Dringlichkeit, sondern der Terminkalender darüber, wie schnell ein möglicher Tumor erkannt wird.

In Österreich geraten Patienten mit Krebsverdacht zunehmend in eine gefährliche Warteschleife. Fachärzte kritisieren, dass wichtige bildgebende Untersuchungen wie CT oder MRT viel zu spät erfolgen – teils erst nach mehreren Wochen. Das hat nicht nur psychische Folgen für Betroffene, sondern kann auch die Überlebenschancen massiv beeinträchtigen.
Verzögerung kann tödlich sein
Was wie ein Organisationsproblem wirkt, kann für viele zur Überlebensfrage werden. Eine internationale Meta-Studie zeigt: Bereits eine vierwöchige Verzögerung bei einer Krebsoperation erhöht das Sterberisiko um bis zu acht Prozent. Bei Strahlen- oder Chemotherapien liegt dieser Anstieg sogar bei bis zu 13 Prozent. Trotz dieser bekannten Fakten fehlt in Österreich ein strukturierter Mechanismus, um Patienten mit dringendem Krebsverdacht priorisiert durch das Gesundheitssystem zu lotsen. Derzeit sind es oft private Kontakte, Zusatzversicherungen oder Eigeninitiative, die eine raschere Abklärung ermöglichen – systematisch ist das nicht.
Internationale Vorzeigebeispiele
Andere Länder sind hier deutlich weiter. Dänemark hat mit einem „Fast-Track“-Programm für Krebsverdachtsfälle die Diagnosezeiten deutlich verkürzt – und die Überlebensraten gesteigert. In Italien sank die Zeit bis zur Diagnose beim Lungenkrebs von 43 auf 25 Tage, in Spanien bei Darmkrebs von 68 auf 26 Tage. Die bemerkenswerte Erkenntnis: Solche Verbesserungen gelingen oft schon durch bessere Organisation – zusätzliche Ressourcen sind nicht zwangsläufig notwendig.
Steigende Patientenzahlen als Problem
Zwar ist die Sterblichkeit durch Krebs in den letzten Jahrzehnten gesunken – bei Männern um 36 Prozent, bei Frauen um 31 Prozent –, doch die Zahl der Betroffenen steigt. Aktuell leben rund 419.000 Menschen in Österreich mit einer Krebsdiagnose. Zwischen 2017 und 2024 stieg die Zahl jener, die eine Strahlen- oder systemische Therapie erhalten, um über 30 Prozent. Damit wird das Problem der verzögerten Diagnosen zur systemischen Herausforderung. Fachleute aus der Onkologie fordern daher die Einführung eines klaren Prioritätensystems: Patienten mit begründetem Krebsverdacht sollen rasch und koordiniert Zugang zu notwendigen Untersuchungen erhalten – unabhängig von Versicherungsstatus oder Wohnort.
Derzeit keine einheitliche Lösung
Bisher existiert kein bundesweit einheitlicher Zugang zu schnellerer Abklärung bei Krebsverdacht. Je nach Bundesland, Krankenhaus oder Kassenstelle kann die Wartezeit stark variieren. In der Praxis bedeutet das: Zwei Patienten mit ähnlichem Befund können völlig unterschiedliche Behandlungspfade erleben – einer mit rascher Diagnose, der andere mit Wochen des Wartens und zunehmender Unsicherheit. Experten fordern deshalb eine grundlegende Reform in der Versorgungskette bei Krebsverdacht – nicht durch aufwendige neue Programme, sondern durch einfache, klare Priorisierungsregeln. Die Diagnose soll nicht länger vom Zufall oder Geldbeutel abhängen.
(PA/red)