Klimazertifikate: Rettung oder Ablasshandel?

Österreich setzt beim Klimagesetz auf Zertifikate – Kritiker sehen darin Augenwischerei statt echten Klimaschutz.

25.08.2025 17:29
Redaktion
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Die Menschen haben die natürlichen Ressourcen der Erde für das Jahr 2025 bereits aufgebraucht.

Ein neues Klimagesetz ist seit Jahren überfällig. Nun ist ein Entwurf durchgesickert – und sorgt für Streit. Statt klarer Regeln, wie Österreich seine CO₂-Emissionen senken will, setzt das Papier des Umweltministers auf ein anderes Mittel: den Kauf von sogenannten Klimazertifikaten. Doch was bringt das wirklich – und warum die Aufregung?

Was sind Klimazertifikate überhaupt?

Ganz einfach gesagt: Wer zu viel CO₂ ausstößt, kann sich „freikaufen“. Ein Land oder ein Unternehmen zahlt Geld, damit irgendwo anders weniger CO₂ entsteht – zum Beispiel durch Aufforstungsprojekte oder Investitionen in erneuerbare Energien. So steht auf dem Papier eine ausgeglichene Klimabilanz.

Die Kritik: Das CO₂ ist trotzdem in der Luft. Wenn ein Auto in Österreich fährt, nützt es dem Klima wenig, dass dafür in Rumänien ein Zertifikat gekauft wird. „Das ist wie ein Ablasshandel im Mittelalter“, sagen Umweltorganisationen. Man beruhigt sein Gewissen – aber das Problem bleibt bestehen.

Warum setzt die Politik darauf?

Weil Österreich seine eigenen Klimaziele kaum schafft. Vor allem Verkehr, Heizungen und Landwirtschaft stoßen viel mehr CO₂ aus, als erlaubt wäre. Statt diese Bereiche radikal umzubauen – was teuer und unpopulär ist – will die Regierung lieber Zertifikate im Ausland einkaufen. So kann sie auf EU-Ebene Strafen vermeiden, die sonst in Milliardenhöhe drohen würden.

Für den Minister ist das ein pragmatischer Weg: „Wir nutzen internationale Möglichkeiten, um unsere Verpflichtungen einzuhalten.“ Klingt vernünftig – aber Umweltgruppen sehen darin ein gefährliches Signal.

NGOs schlagen Alarm

Greenpeace spricht von einer „leeren Hülle ohne echte Maßnahmen“. Fridays For Future nennt den Entwurf „eine Erklärung der Arbeitsverweigerung“. Der Vorwurf: Mit Zertifikaten könne man sich zwar auf dem Papier grün rechnen, doch echte Veränderungen im Inland – weniger Dieselautos, bessere Dämmung, klimafreundlichere Landwirtschaft – würden aufgeschoben.

Gerade junge Menschen fühlen sich betrogen: Sie wollen klare Regeln, die dafür sorgen, dass Österreich bis 2040 wirklich klimaneutral wird. „Kinder und Jugendliche haben das Recht auf eine sichere Zukunft – Zertifikate kaufen reicht da nicht“, sagt die Bundesjugendvertretung.

Der Kern der Aufregung

Das Spannende: NGOs sind eigentlich dafür, CO₂ einen Preis zu geben. Wer viel ausstößt, soll auch viel zahlen – das ist Kostenwahrheit. Aber sie wollen, dass dieser Preis Verhalten ändert, also weniger fossile Energie im Inland. Der Zertifikatekauf macht genau das Gegenteil: Das Verhalten bleibt, nur das Papier ändert sich.

Die Aufregung über den Zertifikatehandel wirkt fast schon theatralisch. Denn eines ist klar: Österreich wird seine Reduktionsziele in absehbarerer Zeit nicht erreichen – nicht mit der aktuellen Industrie, nicht mit den bestehenden Heizsystemen und schon gar nicht mit dem Verkehr, der Jahr für Jahr zunimmt. Ohne eine völlig neue Wirtschafts- und Energiepolitik bleibt nur der Griff ins Portemonnaie. Den CO₂-Ausstoß wird Österreich in den kommenden Jahren nicht entscheidend verringern – es sei denn, man denkt die gesamte Industrie radikal neu.

(APA/red)

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