Klimaziel 2040: Europas Flug nach Brasilien
Die EU einigt sich auf ein neues Klimaziel bis 2040 – mit Hintertüren, Kompromissen und viel politischer Symbolik.
Nach monatelangen Verhandlungen haben die EU-Umweltminister am Mittwoch in Brüssel ein neues Klimaziel beschlossen: Bis 2040 sollen die Treibhausgasemissionen um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken. Bis zu fünf Prozentpunkte dürfen allerdings durch den Kauf von Zertifikaten in Drittstaaten angerechnet werden. Damit reduziert sich der tatsächliche Einsparpfad auf 85 Prozent. Zudem wird der Start des neuen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude (ETS2) um ein Jahr auf 2028 verschoben.
Das Zwischenziel für 2035 liegt in einer Spanne von 66,25 bis 72,5 Prozent Reduktion. Der Kompromiss kam nach mehr als 18 Stunden Verhandlung zustande – kurz bevor die Delegationen zum Weltklimagipfel in Brasilien aufbrechen.
Reaktionen zwischen Zufriedenheit und Enttäuschung
Österreichs Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) sprach von einem „klaren Signal für Industrie und Wettbewerbsfähigkeit“. Die verlängerte Verfügbarkeit von Gratiszertifikaten und mehr Flexibilität verschafften Planungssicherheit, auch für energieintensive Betriebe wie die Voest. Kritikerinnen wie EU-Abgeordnete Lena Schilling sehen in der Einigung dagegen einen „Entschluss mit vielen Hintertüren“, der Milliarden an Steuergeldern für Verschmutzungsrechte koste.
Umweltorganisationen wie Greenpeace oder Global 2000 kritisierten die Möglichkeit, internationale Zertifikate anzurechnen: Europa schiebe damit Verantwortung ins Ausland, statt eigene Strukturen zu verändern. Der WWF sprach von „Einfallstoren für Bremser und Blockierer“. Auch der EU-Klimarat hatte gewarnt, dass der Zertifikatekauf dringend nötige Investitionen von der europäischen Industrie abziehe.
Politisch sauber gerechnet
Der Beschluss schließt rechnerisch die Lücke zwischen dem Klimaziel 2030 (– 55 Prozent) und der Klimaneutralität 2050. Inhaltlich bleibt jedoch offen, wie die Staaten ihre Zwischenziele erreichen wollen. Schon bei der Vorlage des ursprünglichen Entwurfs im Juli hatte CheckList festgehalten, dass Zahlen ohne Umsetzungskonzept wenig Vertrauen schaffen. Daran hat sich nichts geändert: Flexibilität ersetzt Verbindlichkeit, Berechnung ersetzt Richtung.
Die Reise ins Prinzipielle
Dass die EU ihr neues Ziel ausgerechnet unmittelbar vor dem Gipfel in Belem präsentierte, ist kein Zufall. Denn man höre und staune: „Die EU stand unter Zeitdruck für ihr neues Klimaziel, um nicht mit leeren Händen zum Weltklimagipfel in Brasilien zu fahren.“
Europa reist mit einer Zahl im Gepäck, die den Delegationen den roten Teppich ausrollen wird. Und so wirkt das finale 2040-Ziel wie ein First-Class-Ticket nach Brasilien – zu Konferenzen, Panels und Side Events, bei denen man nach ISO 14083 die eigenen Transportemissionen dokumentiert und sie durch freiwillige CO₂-Kompensationszahlungen in zertifizierte Projekte neutralisieren lässt.
(APA/red)