Skepsis über Cloud-Rechenzentren bei Wien

Geheime Standorte, große Versprechen und jede Menge Strombedarf – Microsoft investiert in Niederösterreich.

30.06.2025 14:46
Redaktion
© Adobe
Rechenzentrum (Symbolbild)

Man nennt es eine „zentrale Plattform für digitale Souveränität“. Man spricht von Milliardeninvestitionen, revolutionärer Produktivität und dem Zugang zu modernster Künstlicher Intelligenz. Doch die Cloud-Rechenzentren, die Microsoft ab August rund um Wien in Betrieb nimmt, liegen nicht nur geographisch im Verborgenen. Auch inhaltlich bleibt vieles unklar. Standorte werden nicht offiziell genannt, technische Daten fehlen, Fragen zur Sicherheit und zum Energiebedarf werden ausweichend beantwortet.

Microsoft will im August drei neue Rechenzentren in Niederösterreich in Betrieb nehmen und hat dafür eine Milliarde Euro investiert. Die Dateninfrastruktur soll laut Kanzleramt zur „digitalen Souveränität Österreichs“ beitragen. Doch was auf dem Papier nach Fortschritt klingt, wirft in der Realität einige Fragen auf.

Viele Daten, wenig Menschen

Tatsächlich reichen laut Microsoft-Angaben rund 40 Personen, um die drei Standorte zu betreiben – einer davon in Schwechat, zwei weitere in Vösendorf und Achau. Wie daraus eine breite wirtschaftliche Wertschöpfung entstehen soll, bleibt offen. Auch Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) sprach bei der Präsentation von einem „Boost für die Digitalisierung“, räumte aber gleichzeitig ein: „Wir werden nie digital autark sein.“

Damit verweist er auf Europas grundsätzliche Abhängigkeit von außereuropäischen Technologiekonzernen – ein Befund, der angesichts globaler Sicherheitslagen nicht unbedeutend ist. Konkrete Aussagen dazu, wie sich Österreich im Fall politischer oder wirtschaftlicher Spannungen absichern könnte, blieben allerdings aus. Auch Microsoft äußerte sich nicht dazu, wie der Zugriff ausländischer Behörden – etwa über geltende US-Gesetze – verhindert werden soll.

Grüner Strom auf dem Papier

Technische Details zur Rechenleistung und zum tatsächlichen Energiebedarf blieben ebenfalls unter Verschluss. Nur so viel: Die Versorgung soll mit 100 % erneuerbarem Strom erfolgen – ein gern genutztes Label, das in der Praxis allerdings nicht bedeutet, dass ein österreichisches Wasserkraftwerk oder Solarstrom aus dem Burgenland exklusiv die Microsoft-Zentrale beliefert.

Tatsächlich wird Strom aus dem allgemeinen Netz bezogen, während sogenannte Herkunftsnachweise am Markt zugekauft werden. Damit darf der Strom offiziell als „grün“ bezeichnet werden – selbst wenn er physikalisch aus einem Gaskraftwerk stammt. Für die Stromnetze und ihre Belastung spielt es keine Rolle, wie die Elektronen etikettiert wurden.

Dass für das Rechenzentrum in Schwechat bereits eine eigene 110-Kilovolt-Schaltanlage notwendig wurde, zeigt: Der zusätzliche Verbrauch ist massiv. Wer künftig bei Engpässen Vorrang hat – internationale Tech-Konzerne oder heimische Haushalte – wird nicht öffentlich diskutiert.

Wirtschaftswachstum durch Microsoft?

Besonders ehrgeizig klingt die wirtschaftliche Argumentation: 2,24 Milliarden zusätzliche Arbeitsstunden durch den Einsatz von KI – diese Zahl präsentierte Christian Helmenstein, Chef des Economica Instituts. Sie entspreche 30 % des österreichischen Arbeitsvolumens und soll auf die Produktivitätssteigerung durch Künstliche Intelligenz verweisen.

Die Aussage klingt vielversprechend. Allerdings schaffen Rechenzentren keine Arbeitsstunden, sondern verlagern Prozesse. Und dass durch die Aufstellung von Servern in klimatisierten Hochsicherheits-Lagerhallen plötzlich wirtschaftliche Wunder entstehen, wirkt konstruiert. Selbst Helmenstein dämpfte die Wirkung: Statt 30 % Wachstum seien „18 %“ realistischer. Auch das bleibt spekulativ und negiert, dass Microsoft mit dem Zentrum vor allem eigene Infrastruktur nach Europa bringt, nicht aber automatisch Vorteile für österreichische Unternehmen. Vielleicht werden die sich zu einem späteren Zeitpunkt noch herauskristallisieren.

Standortsignal und Steuereffekt

Was jedoch real bleibt: Mit der Ansiedlung signalisiert Microsoft Vertrauen in den Standort Österreich – und investiert zumindest infrastrukturell beträchtliche Summen. Dass die Wiener Netze etwa eine neue Hochspannungs-Schaltanlage errichten konnten, ist ein direkter Effekt. Auch die laufende Stromabnahme, Wartung, lokale IT-Dienstleistungen und Abgaben an Gemeinden könnten langfristige Steuereinnahmen sichern.

Ganz ohne öffentliche Unterstützung kommt das Projekt womöglich nicht aus: Microsoft hat laut Medienberichten Anspruch auf staatliche Förderungen von bis zu 21 % – etwa durch die Investitionsprämie und Basisförderungen für Betriebsansiedlungen, wie sie auch anderen Unternehmen offenstehen. Über die tatsächlich ausbezahlte Fördersumme schweigt man sich bisher aus. Offen bleibt damit auch die Frage, welcher wirtschaftliche Gegenwert dieser Förderung gegenübersteht – insbesondere bei einer Zahl von maximal 40 Dauerarbeitsplätzen.

(APA/red)

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