Was kommt: Sonnenstrom statt Badevergnügen

Schwimmende Solaranlagen gelten als Hoffnungsträger der Energiewende – ihr Einsatz wird auf Seen erprobt.

30.06.2025 12:40
Redaktion
© Adobe
Schwimmende Photovoltaikanlage

In der chinesischen Provinz Anhui schwimmt bereits die Zukunft: Bei Huainan erstreckt sich eine gigantische Photovoltaikanlage über die Wasseroberfläche eines ehemaligen Tagebaus. Was dort als Vorzeigeprojekt gilt, könnte auch hierzulande Schule machen – denn Österreich hat etwas, das rar und kostbar ist: viele Seen. Und viel Strombedarf.

Energiegewinnung auf dem Wasser

Schwimmende Photovoltaikanlagen (auch “Floating PV” genannt) bieten viele Vorteile: Die Kühlung durch das Wasser erhöht den Wirkungsgrad der Module, es werden keine neuen Flächen versiegelt, und in Kombination mit Speicherlösungen können sie zur Netzstabilisierung beitragen. Vor allem in dicht besiedelten oder landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen wirkt das Konzept überzeugend. In Ländern wie Japan, Singapur oder eben China sind Floating-Parks längst Realität – nun kommen auch Pilotprojekte in Europa in Fahrt.

Ein Beispiel: Die größte und leistungsstärkste Photovoltaikanlage ihrer Art schwimmt in Deutschland – auf dem Philippsee in Bad Schönborn, 20 km südlich von Heidelberg. Dort sind 27.160 Solarmodule installiert, die jährlich rund 16 Millionen Kilowattstunden Strom liefern sollen. Ein klarer Beweis dafür, dass schwimmende Solarparks auch in mitteleuropäischen Breitengraden effizient funktionieren.

Was liegt da näher, als auch in Österreich über den Einsatz nachzudenken? Immerhin stehen hier über 25.000 Seen zur Verfügung – ein beträchtliches Potenzial, das bislang ungenutzt bleibt. In Zeiten wachsender Energieknappheit und Klimakrise klingt das fast zu logisch.

Von der Freizeit zur Freifläche?

Doch hier beginnt der Zielkonflikt: Wie viel Freizeitfläche sind wir bereit, für die Energiezukunft zu opfern? Die Stromausbeute einer schwimmenden PV-Anlage ist beträchtlich – aber auch ein heißer Junitag am Wörthersee ist für viele mehr wert als Kilowattstunden. Würde man nur ein paar Prozent der heimischen Badeseen mit Photovoltaik überziehen, ließen sich riesige Mengen Strom erzeugen – aber auch die Aussicht auf Sommerfrische würde sich verdunkeln.

Die technologische Entwicklung könnte dem Trend Vorschub leisten: Moderne PV-Inseln sind modular, schnell installiert und wartungsarm. Eine einzige Anlage von der Größe eines Fußballfelds kann bereits hunderte Haushalte versorgen. Wenn politische Entscheidungen zunehmend unter Druck der Versorgungssicherheit stehen – wird dann noch gefragt, wo die Schwimmzone beginnt?

Ein realistisches Szenario?

Noch klingt es nach Science-Fiction – aber die Debatte hat begonnen. In Oberösterreich etwa gibt es erste Studien zu Floating-PV auf Baggerseen. Und auch in der Schweiz und Deutschland werden ähnliche Konzepte erprobt. Die Frage ist also nicht mehr ob, sondern wo und wie viel. Werden ungenutzte Gewässerflächen wie Speicherteiche und Rückhaltebecken genügen – oder wird man irgendwann ernsthaft über den Traunsee diskutieren müssen?

Der Sommer ist kurz. Der Strombedarf ist groß. Die Versuchung, diese beiden Realitäten miteinander zu verknüpfen, wächst. Und am Ende stellt sich vielleicht eine unbequeme Frage: Was ist uns wichtiger – die kühle Erfrischung oder die heiße Steckdose?

(red)

Anzeige
Anzeige
Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Themen