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Stromreform bringt kleine Erzeuger unter Druck

Die Regierungsparteien präsentieren ihr Strommarktgesetz, das erneuerbare Einspeiser kaum entlastet.

19.11.2025 10:45
Redaktion
© Adobe
Windkrafträder in Österreich

Ein Gesetz, das „Billigstrom“ verspricht – und doch vor allem jene trifft, die Österreichs Energiewende seit Jahren vorantreiben. Am Dienstag, 18. November 2025, brachte die Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS ihre Reform des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes im Ministerrat auf den Weg. Präsentiert wurde sie vom Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmansdorfer (ÖVP), der von einem „Paradigmenwechsel“ sprach. Doch für viele, die Strom dezentral erzeugen, klingt dieser Wechsel eher nach einem Rückschritt.

Entlastung für das Netz oder Belastung?

Im Zentrum des Gesetzes steht ein System von Anreizen für Speicher, gekoppelt an die Idee, Netzkapazitäten zu entlasten. Wer Energie zwischenspeichern kann, soll künftig Vorteile beim Netzentgelt erhalten. Das klingt plausibel, würde aber vor allem jene treffen, die bereits jetzt sauber produzieren: kleine PV-Anlagen, Energiegemeinschaften, lokale Initiativen.

Das ursprüngliche Modell hätte sie sogar zu zusätzlichen Zahlungen verpflichtet – weil erstmals auch Einspeiser Netzentgelte zahlen sollten. Nach massiver Kritik ruderte der Minister zurück und präsentierte eine Ausnahmeregel bis sieben Kilowatt Einspeiseleistung. Doch auch diese „Bagatellgrenze“ löst das Grundproblem nicht: Die Einspeiseentgelte bleiben bestehen, und wer in Zukunft mehr erzeugt oder gemeinsam einspeist, trägt die Mehrkosten allein. Für Energiegemeinschaften, die tagsüber einspeisen, wenn Marktpreise ohnehin niedrig sind, wird der Spielraum weiter eingeschränkt.

Kritik aus Wind- und Solarbranche wächst

Die Branche reagierte prompt – und ungewöhnlich geschlossen. Besonders die IG Windkraft zeigte sich „entsetzt“. Ihr Vorwurf: Die Reform bestrafe jene, die Österreich mit heimischer Energie versorgen, und bevorzuge jene, die längst über die größten Netze und Kapazitäten verfügen. Auch der Photovoltaic-Verband spricht von einem ideologisch motivierten Eingriff, der einem „Österreich-Aufschlag“ gleichkomme.

Dazu kommt die geplante Spitzenkappung: Wenn das Netz überlastet ist, sollen Betreiber von Wind- und Solaranlagen gedrosselt werden können – bei PV um bis zu 40 Prozent, bei Wind um bis zu 15 Prozent. Hybridanlagen wären ausgenommen, aber klassische mittelgroße Windkraft- und PV-Projekte tragen weiterhin die Hauptlast. Kleine, lokal gut eingebettete Anlagen, die das Rückgrat einer nachhaltigen Energiewende bilden, werden ausgebremst – während große Netzbetreiber ihre Position behaupten.

Kurzfristig gekoppelte Günstig-Tarife 

Das Paket enthält auch einen Sozialtarif von sechs Cent pro Kilowattstunde für Haushalte mit niedrigem Einkommen. Für rund 250.000 Personen würde das eine spürbare Entlastung bedeuten. Doch dieser Teil des Gesetzes ändert wenig an der strukturellen Frage, die den Energiemarkt prägt: Wer profitiert langfristig?

Denn wer Strom produziert, aber nicht zu den großen Versorgern gehört, wird weiterhin durch Marktmechanismen benachteiligt: niedrige Tagespreise, fehlende Flexibilitätsoptionen, steigende Netzentgelte. Die Reform macht dieses System nicht gerechter – sie verfestigt es.

Die Regierung braucht nun eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. FPÖ und Grüne halten sich offen, ob sie zustimmen. Beide kritisieren den Entwurf – die Grünen sprechen von einer „Mogelpackung“. Die Frage, ob das Gesetz Anfang 2026 in Kraft tritt, bleibt damit offen. Klar ist nur: Für jene kleinen Erzeuger, die Österreichs Energiewende sichtbar machen, steht viel auf dem Spiel.

(red)

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