Wasserpflanzen als Chance für Kreislaufwirtschaft
Forscher wollen aus lästigen Wasserpflanzen in heimischen Gewässern die Not zur Tugend machen.

Wenn im Sommer die Donauarme oder der Neusiedler See dicht zuwuchern, freuen sich weder Schwimmer noch Segler. Das satte Grün im Wasser ist kein exotisches Naturwunder, sondern schlicht ein Überschuss an Wasserpflanzen. Zwischen 3.000 und 4.000 Tonnen werden in Wien jährlich geschnitten, am Neusiedler See sind es bis zu 5.000 Tonnen. Verantwortlich sind Nährstoffeinträge aus Landwirtschaft und Siedlungen, die das Wachstum befeuern.
Forscherinnen und Forscher der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) wollen diesem Überfluss einen Nutzen geben. Im Projekt „InnoWAP“ arbeiten sie daran, die “Ernte” in Papier, Verpackungen oder Textilfasern zu verwandeln. Unterstützung gibt es von der Stadt Wien, mehreren Industriepartnern und einer 1,15-Millionen-Euro-Förderung des Infrastrukturministeriums.
Vom Störfaktor zum Wertstoff
Die Idee ist, Biomasse nicht einfach zu entsorgen, sondern für Anwendungen wie Einwegteller, Spezialpapiere oder Schalen zu nutzen. Projektleiter Marco Beaumont spricht von einer „Transformation bisher ungenutzter Biomasse in wertvolle Ressourcen für die Kreislaufwirtschaft“. Neben einer möglichen CO₂-Reduktion entzieht die oberflächliche Entnahme den Gewässern auch Nährstoffe, was zu einer Verbesserung der Wasserqualität beitragen kann.

Damit rückt zugleich ein praktisches Problem ins Blickfeld: Wohin mit den tonnenweise anfallenden Pflanzen, die bisher kaum eine sinnvolle Verwertung finden? Biogasanlagen scheinen für diesen Rohstoff nur eingeschränkt geeignet zu sein. Das Projekt will daher neue Wege aufzeigen, wie belastete Biostoffe zu einem Wertstoff werden können.
Grenzen und offene Fragen
Das Abmähen entfernt in erster Linie die oberirdischen Pflanzenteile – die Wurzeln treiben bald wieder neu aus. Dauerhafte Entlastung kann nur durch eine Verringerung des Nährstoffeintrags erreicht werden.
Als Tierfutter ist die Pflanzenmasse kaum geeignet, da sie Sedimentanteile enthält und die Nährstoffzusammensetzung nicht passt. Für Verpackungen oder Textilfasern hingegen bietet sie Eigenschaften, die in Pilotprojekten getestet werden.
Unklar bleibt, wie stark die Pflanzenmasse chemisch behandelt werden muss, um daraus Produkte herzustellen, die lebensmittelsicher sind – etwa Schalen oder Teller, die mit Speisen in Kontakt kommen. Diese Fragen sind Teil der laufenden Forschung und entscheiden letztlich über die Praxistauglichkeit.
Ursachenbekämpfung hintan
Die Wiener Wasserpflanzen könnten in Zukunft in Supermarktregalen als Verpackung oder im Alltag als Textil wieder auftauchen. Damit wird aus einem saisonalen Überschuss ein Rohstoff mit Potenzial. Parallel bleibt die Aufgabe, die Ursachen des Massenwachstums zu reduzieren und technische Standards für eine sichere Weiterverwendung zu definieren.
(APA/red)