Wie tote Förderanlagen das Klima vergiften

Millionen verlassener Öl-, Gas- und Kohlequellen blasen unkontrolliert Methan in die Atmosphäre.

08.05.2025 12:13
Redaktion
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Stillgelegtes Werk in Deutschland

Methan ist 80-mal klimaschädlicher als CO₂ – zumindest in den ersten 20 Jahren nach dem Ausstoß. Dennoch steht es im Schatten der CO₂-Debatte. Nun rückt ein bislang übersehener Aspekt ins Zentrum: Millionen verlassener Förderanlagen weltweit setzen unbemerkt und unreguliert große Mengen Methan frei. Das zeigt der neue „Global Methane Tracker 2025“ der Internationalen Energieagentur (IEA).

Zum IEA-Bericht (PDF)

Vergangenheit wird zum Risiko

Förderstellen, die längst stillgelegt sind, gelten oft als abgeschlossenes Kapitel – buchstäblich „unter der Erde“. Doch laut IEA existieren weltweit rund acht Millionen verlassene Öl- und Gasquellen – viele davon undicht, unversiegelt oder einfach vergessen. Auch alte Kohlebergwerke gehören zu den Quellen anhaltender Methanemissionen.

Die IEA warnt: Würde man diese Emissionen national erfassen, kämen sie auf Rang vier der weltweiten Methanemittenten. Nur China, die USA und Russland stoßen mehr aus. Die Leckagen übertreffen damit sogar die jährlichen Methanemissionen des Iran – ein Vergleich, der das Ausmaß unterstreicht.

Ein oft übersehener Spitzenreiter

Noch größer ist nur eine andere, selten thematisierte Quelle: Rinder weltweit. Durch Verdauungsprozesse (sogenannte enterische Fermentation) verursachen sie rund 90 Millionen Tonnen Methan pro Jahr – das entspräche in einem nationalen Vergleich dem mit Abstand größten Methanemittenten der Welt.

Der Unterschied liegt in der Handhabbarkeit: Während landwirtschaftliche Emissionen schwer zu kontrollieren sind, lassen sich Methanlecks aus dem Energiesektor – vor allem bei stillgelegten Anlagen – technisch vergleichsweise einfacher und kurzfristiger eindämmen.

Schätzungen zufolge stammen rund 25 Millionen Tonnen Methan jährlich aus diesen alten Förderstellen. Das entspricht etwa einem Fünftel aller Methanemissionen des globalen Energiesektors – und macht deutlich, dass auch „verlassene“ Infrastruktur ein aktives Risiko darstellt, das in Klimastrategien bislang kaum berücksichtigt wird.

Sanierung: teuer, aber möglich

Die nötige Sanierung würde laut IEA rund 100 Milliarden US-Dollar kosten – technisch machbar, politisch jedoch kaum gewollt. Denn: Ein wirtschaftlicher Ertrag ist nicht unmittelbar gegeben, und ein funktionierender Marktmechanismus zur Finanzierung solcher Maßnahmen fehlt bisher.

Während das Problem ungelöst bleibt, wächst der Druck: Verfallende Anlagen bleiben oft ohne Kontrolle, viele Methanquellen werden weder gemeldet noch gesichert – obwohl die Überwachung durch Satelliten deutlich besser geworden ist.

Datenlücke mit System

Ein weiteres Problem: Die offiziellen Methan-Daten vieler Staaten sind unzuverlässig. Laut IEA könnten die tatsächlichen Werte bis zu 80 Prozent höher liegen als von Regierungen gemeldet. Besonders deutlich wird das bei sogenannten „Superemittern“ – Anlagen mit extrem hohen Leckraten, die aus dem All erkannt werden.

Im Jahr 2024 verzeichnete die IEA ein Rekordhoch solcher Großereignisse. Besonders betroffen waren die USA, Russland und Turkmenistan – drei Länder mit hoher Förderaktivität, aber teils schwacher Regulierung. Die EU hingegen scheint besser abzuschneiden – nicht zuletzt aufgrund strenger Umweltstandards, geringerer Fördermengen und moderner Infrastruktur.

Stellschraube mit Wirkung

Dabei liegt in der Methanreduktion enormes Potenzial. Laut IEA zählt sie zu den schnellsten und wirksamsten Maßnahmen gegen die Erderwärmung. Bereits durch die konsequente Abdichtung von Lecks im Energiesektor könnte der globale Temperaturanstieg bis 2050 um rund 0,1 Grad Celsius verringert werden – ein Effekt, der dem kompletten CO₂-Stopp der weltweiten Schwerindustrie gleichkäme.

Ein Bericht mit Signalwirkung

Auffällig ist, dass im aktuellen Bericht die USA gemeinsam mit Ländern wie Turkmenistan und Russland als Hotspots für Methan-Großlecks genannt werden – eine Konstellation, die in dieser Form eher selten zu lesen ist. Die EU kommt vergleichsweise glimpflich davon, was an strengeren Standards – oder an gnädigeren Lesarten – liegen mag.

Gleichzeitig gibt die IEA zu, dass ihre Schätzungen bis zu 80 Prozent über den offiziellen Angaben vieler Staaten liegen. Dass auf dieser Grundlage politische Handlungsprioritäten gesetzt werden, ist zumindest bemerkenswert – zumal nicht jede Quelle gleich sichtbar, messbar oder technisch beherrschbar ist.

So ist etwa bekannt, dass die Rinderhaltung weltweit deutlich mehr Methan ausstößt als der gesamte Energiesektor einschließlich stillgelegter Förderanlagen. Im Bericht bleibt sie nahezu unerwähnt. Hier lässt sich offenbar wenig abdichten – und noch weniger regulieren.

Bleibt die Frage, ob die IEA mit ihrem jüngsten Report Klimapolitik betreibt – oder ein neues Klima der Politik schafft. Einen überraschenden Superspreader für todbringendes Methan hat sie nun jedenfalls identifiziert und der Welt präsentiert: die USA.

(red)

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