Wieviel Energie kostet uns die Zeitumstellung?
Ursprünglich sollte sie Energie sparen, doch heute sorgt die Zeitumstellung vor allem für eines: müde Gesichter.

Am kommenden Sonntag, dem 26. Oktober, werden in vielen Ländern Europas die Uhren wieder von Sommer- auf Normalzeit umgestellt. Die Praxis der Zeitumstellung soll ursprünglich Energie sparen, indem sie Tageslicht besser nutzt. Heute stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Zweck in einer modernen Gesellschaft mit LED-Beleuchtung, Klimaanlagen und rund um die Uhr aktiven Lebensgewohnheiten überhaupt noch erfüllt wird.
Das ursprüngliche Ziel
In Österreich wurde die Sommerzeit im Jahr 1980 eingeführt – als Reaktion auf die Energiekrisen der 1970er-Jahre und zur Angleichung an die Nachbarländer. Die Idee dahinter war simpel: Wenn es abends länger hell bleibt, soll weniger künstliches Licht benötigt und dadurch Strom gespart werden. Ganz neu war das Konzept allerdings nicht. Schon im Jahr 1916 hatte das damalige Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkriegs eine Sommerzeit eingeführt, um Energie zu sparen. Nach mehreren Jahrzehnten ohne Zeitumstellung wurde das System 1980 erneut aufgenommen. Seit 1996 gilt in Österreich – im Einklang mit der Europäischen Union – eine einheitliche Regelung: Die Uhren werden am letzten Sonntag im März vorgestellt und am letzten Sonntag im Oktober wieder zurückgestellt. Was damals als vernünftige Maßnahme erschien, gilt heute als kaum wirksam. Laut aktuellen Studien spielt Beleuchtung im gesamten Stromverbrauch nur noch eine sehr geringe Rolle. Gleichzeitig haben sich Lebens- und Arbeitsgewohnheiten stark verändert: Klimaanlagen, Computer, Unterhaltungselektronik und der vermehrte Energiebedarf im Homeoffice heben mögliche Einsparungen weitgehend auf. Damit hat sich der einstige Hauptgrund für die Zeitumstellung – die Energieeffizienz – weitgehend überholt.
Ersparnis kaum messbar
Mehrere Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass die Zeitumstellung heute keinen nennenswerten Einfluss auf den Energieverbrauch hat – in manchen Fällen steigt dieser sogar leicht an. Eine Studie des National Bureau of Economic Research (NBER) untersuchte beispielsweise die Auswirkungen der Zeitumstellung auf den Stromverbrauch im US-Bundesstaat Indiana. Das Ergebnis: Nach Einführung der Sommerzeit stieg der Energieverbrauch um rund ein Prozent. Der Grund: Zwar wurde abends etwas weniger Licht verbraucht, dafür aber morgens und an heißen Tagen mehr Energie für Heizung und Klimaanlagen benötigt.
Eine Analyse von Time and Date ergab wiederum, dass selbst eine verlängerte Sommerzeit in den USA nur eine minimale Einsparung brachte – weniger als 0,03 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs. Diese Zahlen zeigen, dass der erhoffte Effekt in der Praxis kaum ins Gewicht fällt.
Das deutsche Umweltbundesamt bestätigt ebenfalls, dass die Zeitumstellung heute keine messbare Energieeinsparung mehr bewirkt. Moderne Beleuchtungssysteme seien so effizient geworden, dass der Unterschied im Stromverbrauch zwischen hellen und dunklen Abendstunden kaum noch relevant sei. Zudem würden andere Energiebedarfe – wie Heizungen an kühlen Frühlingsmorgen – die potenzielle Einsparung wieder aufheben.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Während der Energieeffekt also minimal bleibt, zeigen sich auf anderen Ebenen deutlichere Folgen. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass die Umstellung des Biorhythmus vor allem im Frühjahr zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Viele Menschen berichten von Schlafstörungen, Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten in den Tagen nach der Umstellung. Auch ein kurzfristig erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird immer wieder beobachtet.
Doch nicht nur Menschen reagieren empfindlich. Auch Tiere orientieren sich an festen Rhythmen von Licht und Dunkelheit. Für Haustiere kann die plötzliche Verschiebung von Fütterungs- oder Spazierzeiten Stress bedeuten. In der Landwirtschaft beeinflusst die Zeitumstellung das Verhalten von Nutztieren – Kühe etwa geben oft weniger Milch, wenn sich die Melkzeiten verändern. Wildtiere wiederum passen ihr Verhalten an den natürlichen Tagesverlauf an; eine künstliche Verschiebung der „aktiven Stunden“ kann daher ökologische Abläufe stören.
Gesellschaftliche und politische Diskussion
Trotz der zunehmenden Kritik bleibt die Zeitumstellung weiterhin bestehen. Innerhalb der Europäischen Union wurde bereits 2019 eine Abschaffung beschlossen – umgesetzt wurde sie bisher jedoch nicht. Der Grund: Die Mitgliedsstaaten konnten sich nicht darauf einigen, ob dauerhaft Sommer- oder Normalzeit gelten soll. In Umfragen spricht sich eine klare Mehrheit der Bevölkerung gegen die halbjährliche Umstellung aus. Gleichzeitig sind viele Menschen unsicher, welche Zeitvariante langfristig besser wäre. Fachleute empfehlen häufig die dauerhafte Normalzeit, da sie dem natürlichen Biorhythmus am nächsten kommt und gesundheitlich am verträglichsten scheint.
Energieargument kaum noch haltbar
Während die Energieeinsparung also nur noch auf dem Papier existiert, sind die negativen Auswirkungen auf Gesundheit, Tiere, Alltag und sogar dem Energieverbrauch real und messbar. Immer mehr wissenschaftliche Stimmen sehen daher in der Zeitumstellung ein überholtes Konzept, das seinen Nutzen verloren hat. Wenn am 26. Oktober wieder die Uhren zurückgestellt werden, dürfte vielen bewusst sein: Gespart wird dabei längst nichts mehr – außer vielleicht ein bisschen Tageslicht.
(red)